Dienstag, 5. März 2024
04.03.24
Montag. Prompt bin ich nach dem Katzefüttern um 4:30 zu wach um wieder einzuschlafen.

Ein Piepsen um 4:58 beunruhigt mich. Um 5:58 höre ich es wieder. Es gibt 3 Möglichkeiten: einer der beiden Rauchmelder oder die neue Stoppuhr. Ich stelle den Wecker auf 6:58 um besser hinzuhören. Beim Gedanken an wild fiepende Rauchmelder steigt Stress in mir hoch.

Keine Lust auf Arbeit. Freue mich sehr auf meinen Urlaub nächste Woche.

6:59, es scheint die Stoppuhr zu sein. Erleichterung, aber auch: warum macht sie das? Ich dachte, ich kann nur die Stoppuhrfunktion nutzen und alles andere (Datum, Wecker) ignorieren, aber nun muss ich mir das wohl doch angucken.

Die Arbeit ist unerwartet hektisch, viel zu tun und zu organisieren aber das lenkt wenigstens ab. Ich sehe aber schwarz dafür, heute vor dem Abendessen nochmal vor die Tür zu kommen. Vielleicht dann mal einen Abendspaziergang probieren.

Sobald etwas Leerlauf aufkommt, drängen sich unschöne Erinnerungen in den Vordergrund. Freue mich schon fast auf die nächsten Besprechungen als Ablenkung davon.

Wider Erwarten kann ich doch pünktlich Schluss machen und drehe dann noch die inzwischen vertraute Runde durch die Straßen und den kleinen Park. Die Luft ist feucht aber es regnet nicht. Keine Kinder mehr auf dem Spielplatz, ein paar Menschen mit Hunden, ein Paar im Rentenalter, etwas zu dick eingepackt für die Temperatur. Ich gehe 40 Minuten, am Anfang zügiger, gegen Ende eher gemütlich aber egal, Hauptsache bewegt und etwas anderes als den Schreibtisch gesehen.
Natürlich produziert mein Hirn Träumereien und ich erinnere mich mehrfach daran, dass das alles niemals so eintreten wird und merke, fühle, deutlich, dass vor allem auch ich niemals die Person sein werde, von der ich da träume.

Zuhause habe ich mich gerade umgezogen, da kommt eine Nachricht von S. Sie kann zu unserer Konzertverabredung im Sommer nicht kommen. So viel zum Thema sinnloses Vorausdenken.
Sie schlägt vor, das Konzert stattdessen in einer anderen Stadt zu besuchen und bietet an, die Karten zu besorgen, fragt, ob mir das recht ist. Es geht ihr immer noch nicht gut mit der Trennung, sie vermisst mich noch.

Ich wollte gerade essen und obwohl ich kurz das Gefühl habe, nichts herunterschlucken zu können, möchte ich nicht alles umstoßen, fallen lassen, wie auch immer, nur weil sie sich gerade meldet und dann auch noch so eine Frage stellt. Ich schreibe, dass ich etwas Zeit brauche für die Antwort und setze mich mit dem Essen ins Wohnzimmer. Ich habe dann doch ziemlich Hunger und das Essen schmeckt gut, ich esse alles auf.
Relativ schnell weiß ich, dass ich ihren Vorschlag nicht annehmen werde. Ich möchte nicht wie früher abgeholt werden und dann neben ihr im Auto sitzen, alles wie früher aber alles ganz anders. Keine liebevollen, vertrauten Gesten. Ich möchte nicht eingeschlossen sein in ihrem Auto, auf dem Konzert anhängig davon sein, dass sie mich wieder zurückfährt, abgesetzt werden, und sie fährt dann weg, ich bleibe allein zurück.
Ich räume alles weg, spüle und antworte ihr dann. Schreibe ihr, warum ich dann lieber alleine auf das Konzert gehe als mit ihr zusammen in einer anderen Stadt. Dass auch ich sie furchtbar vermisse. Sie versteht meine Gründe.

Das Schwierige an diesen Kontakten ist das Aufhören. Meist bricht S das Texten ab, so auch heute, schreibt "Tschüss" und ich weiß, dass sie nicht weiterschreiben möchte. Sie schreibt, dass sie sich die Augen ausweint. Ich beneide sie ein bisschen um diese Nähe zu den Tränen. Ich weiß, wie gut es tut, alles rauszuweinen. Bei mir sind die Gefühle verstopft. Ich fühle mich wie jenseits der Tränen, vollkommen zurückgezogen in mein Schneckenhaus, bis ich mich nicht mehr bewegen kann. Ein Brennen in den Augen, ein oder zwei einzelne Tränen, mehr fließt heute Abend nicht. Stumpfes Gefühl einer riesigen Wunde in meinem Inneren, so groß, dass keine Tränen mehr helfen. Resignation, Apathie, ich liege noch im Schützengraben, bin noch lange nicht im Hospital, wo ich um meine Wunden weinen kann. Es braucht eine gelernte Sicherheit um zu weinen, das Gefühl, dass Hilfe kommen kann. Das kenne ich nicht.

Der heutige Gastgeber der Kochshow ist symphatisch aber kann mich nicht fesseln. Ich mache mich bettfertig, schaue die Serie weiter, halbherzig und abgelenkt. Ich bin enttäuscht, dass sie abgesagt hat. Aufgewühlt über den Kontakt. Frustriert darüber, wie schlecht es mit uns gelaufen ist, wieder mal. Ängstlich, dass alles als meine Schuld angesehen wird. Müde von all diesen Gefühlsknoten in mir, die mich verzerren, mich am Laufen hindern, mir die Freiheit nehmen, die mir zusteht.

Ich mache das Licht aus, vor allem, um abzuschalten.

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