Samstag, 16. März 2024
15.03.24
Freitag. Die Katze weckt mich um 5:00, um 5:30 stehe ich auf.

Kaffee und Schreibtisch. Ich bin sehr aufgeregt wegen des Tattoo-Termins. Möchte vorher noch Katzenstreu kaufen und vorkochen für heute Abend, falls es später wird. Werfe eine Maschine Wäsche ein.
Spüre mein Herz klopfen. Es wäre mir lieber, wenn der Termin früher anfinge, aber das läßt sich nicht ändern.

Gehe duschen, ich muss noch eine Stunde überbrücken, bis das Tierfuttergeschäft aufmacht. Mache mich fertig, föne und style die Haare.

Gehe zum Tierfuttergeschäft, wo eine Frau mit einem sehr niedlichen Welpen auf dem Arm gerade bezahlt, als ich hereinkomme. Das mag ich an dem Laden, man trifft manchmal nette Hunde. Auf dem Rückweg fängt es an zu nieseln, davon stand noch eine halbe Stunde vorher nichts in der Wetter-App obwohl der ganze Himmel voller grauer Wolken war. Wieso können die das nicht besser?

Dann koche ich das Abendessen für die nächsten zwei Tage vor. Ich habe die Vorstellung, dass der Termin Stunden dauert und ich hinterher völlig fertig bin. Dabei ist eigentlich vom Schätzpreis her schon klar ist, dass es nicht länger als 1-2 Stunden dauern wird. Und es ist auch klar, dass es anders wird als beim letzten Tattoo, bei dem es mir im Vorfeld bereits schlechter ging. Beim dem so viel schief ging, wie bei einer schlechten Beziehung, in der ich zu dem Zeitpunkt ja auch noch war.

Nach dem Kochen habe ich aber doch noch eine Stunde Leerlauf und mache etwas Vernünftiges: ich schreibe.

Die Aufregung ist wie ein Energieleck. Energie fließt ab, Adrenalin läßt mich hochtourig laufen.

Was kann ich während des Stechens tun, um mir zu helfen?
Darauf achten, bequem zu sitzen (soweit möglich).
Verbindung zur Tätowiererin aufnehmen.
Auf mich achten, mich 'im Arm halten'.
An die Möwen, den Nachmittag denken.
Notfalls einen neuen Termin machen.

Wovor habe ich Angst? Vor den Schmerzen? Ja, ein bisschen aber die habe ich ja bei allen bis auf das letzte Tattoo gut ertragen. Ich habe Angst, dass es so wird wie beim letzten Tattoo, wo mein Körper gesagt hat 'Schluß' und ich nicht darauf gehört habe. Wo die Schmerzen, nicht beim Stechen sondern beim Abwischen der Haut, wirklich sehr unangenehm waren, vielleicht einfach weil die Tätowiererin es nicht gut gemacht hat. Wo ich nichts gesagt habe, bis es zu spät war. Wo ich in eine sehr, sehr unangenehme Situation gekommen bin. Wo ich das Gefühl hatte, versagt zu haben.
Ich habe Versagensangst. Die kenne ich ja sehr gut, hat trotzdem gedauert, bis ich sie wiedererkannt habe.

Die Wahrscheinlichkeit ist aber sehr gering, dass es wieder so wird wie beim letzten Mal.
Egal was passiert, ich bin bei mir. Niemand ist ich.

Und dann gehe ich los. In der Straßenbahn sehe ich, dass S einen Status hat und schaue ihn nach kurzem Zögern an. Lenkt mich vielleich von der Nervosität ab, auch wenn es weh tut. Es sind Bilder der Hochzeit ihrer Freundinnen, ich freue mich für die beiden und schreibe ihr das. Eine kurze Antwort, meine nächste Nachricht wird nicht gelesen. Unangenehmes Gefühl aber ich wollte ja Ablenkung, be careful what you wish for.

Ich mag das Studio, fühle mich in den tiefen Lesersessln des Warteraums wohl. Die Tätowiererin ist freundlich und nett, strahlt Sicherheit aus.
Wir legen Größe und genaue Position des Tattoos fest, dann geht es los. Ich liege ganz bequem und die Dancefloor Musik hat gefühlt ungefähr den Rhythmus meines Herzschlags. Ist mir lieber als die chillige Musik im anderen Studio, zumindest in dieser Situation.
Anfangs sprechen wir ein bisschen, dann fällt mir nichts mehr ein und es fallen nur noch kurze Bemerkungen. Als ich das erste Ziehen spüre, habe ich Angst, dass mein Körper anfängt, wild zu zucken. Macht er aber nicht. Nach einer Weile sagt sie, dass sie jetzt über dem Schlüsselbein ist und es weh tun könnte, ich mache mich auf mehr Schmerz gefasst aber der bleibt aus. Scharfes Ziepen an weicheren Stellen scheint mir mehr auszumachen als die Stelle am Knochen. Der Schmerz ist so wie ich ihn kenne, unangehem aber erträglich. Das Wegwischen der Farbe tut überhaupt nicht weh bei ihr und ich bin sehr erleichtert.

Zwischendurch bewege ich die Füße, korrigiere meine Position aber halte es gut aus, obwohl ich auf dem Rücken und damit auf meiner Narbe liege. Die Liege ist aber sehr gut gepolstert, ich habe keine Narbenschmerzen.
Ich stelle mir vor, dass S hier wäre und meine Hand halten würde. Wünsche mir es. Denke an die Möwen, das Flattern, das Geräusch und den Wind der Flügelschläge. An den Glaubenssprung, den ich an diesem Nachmittag gemacht habe, als S mich fotografiert und gefilmt hat.

Meine Energie reicht für die Sitzung, hätte auch noch länger gereicht. Es dauert nur eine Stunde, die Schmerzen sind völlig erträglich. Sie hat es toll gemacht und ist ab sofort meine Lieblingstätowiererin. Ich bin erleichtert.

Und ich merke, dass die andere Tätowiererin mit ihrem unnötig festen Abwischen der Farbe einfach den Schmerzbogen bei meinem Körper überspannt hat. Vielleicht auch, weil es so unnötig war. Den Schmerz des Stechens kann man nicht vermeiden, diesen Schmerz hätte man vermeiden können. Mein Körper hat sich gewehrt und ich habe nicht auf ihn gehört.

Ich bin froh, dass die Erfahrung diesmal so positiv war. Fahre nachhause, es ist noch so früh. Lege meinen Rucksack ab, gehe auf Toilette und schreibe kurz ein paar Sätze auf. Dann gehe ich eine Runde spazieren, das Adrenalin weggehen, runterkommen. Auf dem Spaziergang regnet es ziemlich, deshalb spare ich mir den Abstecher durch den kleinen Park und als ich fast wieder zuhause um die Ecke biege, sehe ich einen Regenbogen. Wie schön und kitschig passend.

Zuhause sehe ich, dass ich meine Schrift von vorhin kaum lesen kann, da war wirklich noch Adrenalin im Spiel. S hat geantwortet, auch das beruhigt. Sie schreibt von ihrer Arbeit. Ich schreibe auch T, schicke ihr ein Bild vom Tattoo.

Dann Couch, TV und Handy, ganz entspannend. Nach dem Essen fühle ich mich angenehm voll und müde. Es tut mir leid, dass S Stress auf der Arbeit hat und ich schreibe ihr das. Ich würde sie gerne in den Arm nehmen, das schreibe ich aber nicht.
Schaue Let's Dance bis zur zweiten Werbung und verschiebe den Rest auf morgen, mache das Licht aus und merke, dass ich nicht auf meiner Schlafseite liegen kann wegen des Tattoos. Etwas Restunruhe ist noch in mir, aber es dauert nicht allzulange, bis ich einschlafe.

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15.03.24
Freitag. Die Katze weckt mich um 5:00, um 5:30 stehe ich auf.

Kaffee und Schreibtisch. Ich bin sehr aufgeregt wegen des Tattoo-Termins. Möchte vorher noch Katzenstreu kaufen und vorkochen für heute Abend, falls es später wird. Werfe eine Maschine Wäsche ein.
Spüre mein Herz klopfen. Es wäre mir lieber, wenn der Termin früher anfinge, aber das läßt sich nicht ändern.

Gehe duschen, ich muss noch eine Stunde überbrücken, bis das Tierfuttergeschäft aufmacht. Mache mich fertig, föne und style die Haare.

Gehe zum Tierfuttergeschäft, wo eine Frau mit einem sehr niedlichen Welpen auf dem Arm gerade bezahlt, als ich hereinkomme. Das mag ich an dem Laden, man trifft manchmal nette Hunde. Auf dem Rückweg fängt es an zu nieseln, davon stand noch eine halbe Stunde vorher nichts in der Wetter-App obwohl der ganze Himmel voller grauer Wolken war. Wieso können die das nicht besser?

Dann koche ich das Abendessen für die nächsten zwei Tage vor. Ich habe die Vorstellung, dass der Termin Stunden dauert und ich hinterher völlig fertig bin. Dabei ist eigentlich vom Schätzpreis her schon klar ist, dass es nicht länger als 1-2 Stunden dauern wird. Und es ist auch klar, dass es anders wird als beim letzten Tattoo, bei dem es mir im Vorfeld bereits schlechter ging. Beim dem so viel schief ging, wie bei einer schlechten Beziehung, in der ich zu dem Zeitpunkt ja auch noch war.

Nach dem Kochen habe ich aber doch noch eine Stunde Leerlauf und mache etwas Vernünftiges: ich schreibe.

Die Aufregung ist wie ein Energieleck. Energie fließt ab, Adrenalin läßt mich hochtourig laufen.

Was kann ich während des Stechens tun, um mir zu helfen?
Darauf achten, bequem zu sitzen (soweit möglich).
Verbindung zur Tätowiererin aufnehmen.
Auf mich achten, mich 'im Arm halten'.
An die Möwen, den Nachmittag denken.
Notfalls einen neuen Termin machen.

Wovor habe ich Angst? Vor den Schmerzen? Ja, ein bisschen aber die habe ich ja bei allen bis auf das letzte Tattoo gut ertragen. Ich habe Angst, dass es so wird wie beim letzten Tattoo, wo mein Körper gesagt hat 'Schluß' und ich nicht darauf gehört habe. Wo die Schmerzen, nicht beim Stechen sondern beim Abwischen der Haut, wirklich sehr unangenehm waren, vielleicht einfach weil die Tätowiererin es nicht gut gemacht hat. Wo ich nichts gesagt habe, bis es zu spät war. Wo ich in eine sehr, sehr unangenehme Situation gekommen bin. Wo ich das Gefühl hatte, versagt zu haben.
Ich habe Versagensangst. Die kenne ich ja sehr gut, hat trotzdem gedauert, bis ich sie wiedererkannt habe.

Die Wahrscheinlichkeit ist aber sehr gering, dass es wieder so wird wie beim letzten Mal.
Egal was passiert, ich bin bei mir. Niemand ist ich.

Und dann gehe ich los. In der Straßenbahn sehe ich, dass S einen Status hat und schaue ihn nach kurzem Zögern an. Lenkt mich vielleich von der Nervosität ab, auch wenn es weh tut. Es sind Bilder der Hochzeit ihrer Freundinnen, ich freue mich für die beiden und schreibe ihr das. Eine kurze Antwort, meine nächste Nachricht wird nicht gelesen. Unangenehmes Gefühl aber ich wollte ja Ablenkung, be careful what you wish for.

Ich mag das Studio, fühle mich in den tiefen Lesersessln des Warteraums wohl. Die Tätowiererin ist freundlich und nett, strahlt Sicherheit aus.
Wir legen Größe und genaue Position des Tattoos fest, dann geht es los. Ich liege ganz bequem und die Dancefloor Musik hat gefühlt ungefähr den Rhythmus meines Herzschlags. Ist mir lieber als die chillige Musik im anderen Studio, zumindest in dieser Situation.
Anfangs sprechen wir ein bisschen, dann fällt mir nichts mehr ein und es fallen nur noch kurze Bemerkungen. Als ich das erste Ziehen spüre, habe ich Angst, dass mein Körper anfängt, wild zu zucken. Macht er aber nicht. Nach einer Weile sagt sie, dass sie jetzt über dem Schlüsselbein ist und es weh tun könnte, ich mache mich auf mehr Schmerz gefasst aber der bleibt aus. Scharfes Ziepen an weicheren Stellen scheint mir mehr auszumachen als die Stelle am Knochen. Der Schmerz ist so wie ich ihn kenne, unangehem aber erträglich. Das Wegwischen der Farbe tut überhaupt nicht weh bei ihr und ich bin sehr erleichtert.

Zwischendurch bewege ich die Füße, korrigiere meine Position aber halte es gut aus, obwohl ich auf dem Rücken und damit auf meiner Narbe liege. Die Liege ist aber sehr gut gepolstert, ich habe keine Narbenschmerzen.
Ich stelle mir vor, dass S hier wäre und meine Hand halten würde. Wünsche mir es. Denke an die Möwen, das Flattern, das Geräusch und den Wind der Flügelschläge. An den Glaubenssprung, den ich an diesem Nachmittag gemacht habe, als S mich fotografiert und gefilmt hat.

Meine Energie reicht für die Sitzung, hätte auch noch länger gereicht. Es dauert nur eine Stunde, die Schmerzen sind völlig erträglich. Sie hat es toll gemacht und ist ab sofort meine Lieblingstätowiererin. Ich bin erleichtert.

Und ich merke, dass die andere Tätowiererin mit ihrem unnötig festen Abwischen der Farbe einfach den Schmerzbogen bei meinem Körper überspannt hat. Vielleicht auch, weil es so unnötig war. Den Schmerz des Stechens kann man nicht vermeiden, diesen Schmerz hätte man vermeiden können. Mein Körper hat sich gewehrt und ich habe nicht auf ihn gehört.

Ich bin froh, dass die Erfahrung diesmal so positiv war. Fahre nachhause, es ist noch so früh. Lege meinen Rucksack ab, gehe auf Toilette und schreibe kurz ein paar Sätze auf. Dann gehe ich eine Runde spazieren, das Adrenalin weggehen, runterkommen. Auf dem Spaziergang regnet es ziemlich, deshalb spare ich mir den Abstecher durch den kleinen Park und als ich fast wieder zuhause um die Ecke biege, sehe ich einen Regenbogen. Wie schön und kitschig passend.

Zuhause sehe ich, dass ich meine Schrift von vorhin kaum lesen kann, da war wirklich noch Adrenalin im Spiel. S hat geantwortet, auch das beruhigt. Sie schreibt von ihrer Arbeit. Ich schreibe auch T, schicke ihr ein Bild vom Tattoo.

Dann Couch, TV und Handy, ganz entspannend. Nach dem Essen fühle ich mich angenehm voll und müde. Es tut mir leid, dass S Stress auf der Arbeit hat und ich schreibe ihr das. Ich würde sie gerne in den Arm nehmen, das schreibe ich aber nicht.
Schaue Let's Dance bis zur zweiten Werbung und verschiebe den Rest auf morgen, mache das Licht aus und merke, dass ich nicht auf meiner Schlafseite liegen kann wegen des Tattoos. Etwas Restunruhe ist noch in mir, aber es dauert nicht allzulange, bis ich einschlafe.

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