Dienstag, 27. Mai 2025
26.05.25
Um 4:30 stehe ich auf, sehr durstig, trinke ein Glas Wasser und gebe der Katze Futter, was sie nicht mitbekommt. Sie miaut mich an, als ich zurück ins Schlafzimmer komme und ich gehe mit ihr noch mal in die Küche und zeige ihr den vollen Napf.

Lege mich nochmal hin, weil der Wecker erst um 5:30 klingelt und ich erst um 21:45 das Handy weggelegt habe. Schlafen geht aber nicht mehr und zum Ruhen bin ich zu unruhig.

Stehe auf, koche Kaffee, lege Socken zusammen, die auf dem Wäschereck in der Küche getrocknet sind. Als der Kaffee fertig ist, setze ich mich damit an den Rechner. Ratlos, rastlos, unruhig.

Heute werde ich viel warten müssen. Warten auf den Klempner, der heute Nachmittag endlich die Mischbatterie in der Küche tauscht, hoffentlich. Warten auf den Anruf der Ärztin. Ach ja, sie sagte, dass vielleicht eine Kollegin anruft, weil sie nicht da ist. Warten auf den Anruf des ZPM wegen des OP-Vergesprächs, obwohl der vermutlich nicht sofort heute kommt. Aber vielleicht doch.

Warten und dann on point funktionieren. Das ist anstrengend. Aber ich brauche eigentlich nur meine Nerven und schnellen Zugang zu meinem Terminkalender. Und eine aufgeräumte Küche. Letzteres ist leicht, aber macht mich aus irgendeinem Grund sehr nervös. Vielleicht weil da ein echter Mensch kommt, nicht nur eine Telefonstimme. Ein echter Mensch, das mag ich nicht.

2 Stunden später ist die Küche picobello. Ich mache Homeoffice und bin irgendwie losgelöst von der Arbeit. Als ob ich sehr lange, vielleicht gar nicht zurückkommen würde. Was ja hoffentlich nicht so ist.

Ich trudele, schwebe, erledige einiges, vermeide anderes. Im Bauch das übliche durchdringende Ziehen des Ausweichens, der Angst. Im Kopf dieses anstrengende Rauschen, das so müde macht, Konzentration verhindert. Dasein verhindert, Bewusstsein verhindert.
Nicht da sein, weil Dasein ein unmögliches Grauen ist. Ablenken. Zerstreuen.

Der Klempner kommt sogar eine halbe Stunde zu früh. Die neue Mischbatterie ist schön, aber der Wasserdruck viel höher als bei der alten, vielleicht weil sie nicht verkalkt ist. Erleichtert räume ich den Unterschrank wieder ein, eine Sorge weniger vor dem Urlaub. Fünf Wochen Wasser im Bad holen, zwei Wochen den Inhalt des Unterschranks auf Küchentisch und Regal verteilt, weil ich vorbereitet sein wollte. Jetzt sieht die Küche wieder normal aus, das ist beruhigend.

Ich texte mit S, es entsteht eines der üblichen Missverständnisse, weil sie meinen Worten eine andere Emotion unterstellt als die, die ich ausdrücken möchte. Wie in Internetforen. Als ob sie mit einer Fremden schreibt, deren Stil sie nicht interpretieren kann.
Das nervt mich, macht mich wütend. Wie so oft. Warum will sie immer texten, warum versteht sie meine Worte nicht? Mit ihr muss ich platt, klischeehaft und übertrieben schreiben, damit sie es versteht. Und mit einem Dutzend Emojis.

Ja, ja, wenn ich das weiß, bin ich ja selber schuld und brauche mich nicht aufzuregen, wenn ich nicht so schreibe und dann prompt missverstanden werde.

Ich hasse Sprachnachrichten, hasse es sie zu bekommen, aber noch mehr, sie erstellen zu sollen und vermeide das nach Möglichkeit. Es wäre aber vermutlich sicherer bei ihr.

Ich habe das Bild im Kopf, dass man als Beziehung abends telefoniert und sich den Tag erzählt, wenn man räumlich getrennt ist. Das funktioniert mit ihr auch nur in Ausnahmefällen.

Die Klinik meldet sich nicht.

Abends googele ich den OP-Ablauf und finde es doch größer, mehr als ich mir vorgestellt habe, obwohl die Ärztin es auch genauso kurz beschrieben hatte. Schlafe trotzdem schnell ein.

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Sonntag, 25. Mai 2025
25.05.25
Die Nacht war ok, keine Grübeleien. Ich träume von Fußball bzw. von Fußballfans. Arminiafans in blauen Karnevals-Plastikperücken. Ich weiß nicht mehr, ob ich so eine gestern im Fernsehen gesehen habe oder ob sich mein Kopf das ausgedacht hat. Sah jedenfalls gut aus.

Stehe um 5:45 auf und mache Kaffee, setze mich an den Rechner, schreibe und spiele dann eine Weile. Alles wie immer, nichts mehr wie immer.

Dann mache ich Listen, für den Urlaub, fürs Krankenhaus, für den Krebs. Bringe es hinter mich.
Frühstücke und möchte dann weiter spielen, bin müde. Spiele trotzdem weiter, weil alles andere zu schwer erscheint. Und außerdem ist doch Sonntag und S ist nicht da.

Räume eine Schublade auf, spiele weiter, bin weiter müde.

Lege mich auf die Couch, das hilft auch nicht.

Werde gereizt. Es ist Sonntag und ich hasse Sonntage. An Sonntagen bin ich einsam und traurig und möchte mich verkriechen und die Schmerzen abstellen.

Es regnet und raus gehen ist keine echte Option. Außerdem müsste ich vorher duschen und das ist auch keine echte Option heute.

Ich entscheide mich für Fernsehen und mache den Rechner aus.

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Samstag, 24. Mai 2025
24.05.25
Ich war gestern Nachmittag beim Kieser, halb gezwungen, weil ich einen Termin hatte, und halb, weil ich es wollte. Weil ich weiß, dass ich meinen Körper nun etwas besser behandeln muss, ihm Möglichkeiten geben muss. Muskeln sind gut, Bewegung ist gut.

Danach Erschöpfung auf der Couch, gepaart mit unruhigem Herzklopfen. Komische Kombination, fühlte sich nicht gut an. Die Erschöpfung hat gewonnen, das Herz hat sich wieder beruhigt. Vermutlich eine Nebenwirkung der Antihormontherapie, wie auch die Hitzewallungen, die nun wieder Alltag sind.

Mein Körper war mir noch nie wirklich vertraut, jetzt fremdele ich noch mehr mit ihm.
Die Wunde von der Stanzbiopsie tut immer noch weh, es hat aber fast eine Woche gedauert, bis mir aufgefallen ist, dass der Schmerz von dort kommt.

Die Nacht war ok. Neblig irgendwie, da waren Träume, an die ich mich aber gleich danach nicht mehr erinnern konnte. Kurze Momente der Angst, des Bewusstseins, dass nun endgültig die Uhr tickt und eben nicht nur wegen des fortgeschrittenen Alters sondern konkret weil ja, so wie vor mir meine Oma und meine Mutter, habe ich nun Krebs.

Ich schrecke vor den Worten zurück, fand sie schon immer angsteinflößend, jetzt noch mehr. Möchte sie nicht aufschreiben.

Zwischendurch auch andere Impulse, ich gebe noch nicht auf. Es ist heilbar, sagt die Ärztin. Ich werde noch nicht sofort sterben.

Ich möchte mich von Ballast befreien, endlich Dinge loslassen. Nicht zuletzt, damit sie nach meinem Tod niemand anders wegschmeissen muss. Aber auch, um mich jetzt leichter zu fühlen. Vielleicht eine Illusion, aber eine die mir im Moment hilft und eine Richtung gibt, etwas zu tun gibt.

S ist übers Wochenende verreist, ich habe Zeit für Vorbereitungen, Patientenverfügung etc.. Das ist gut, auch wenn ich S vermisse.

Es ist jetzt alles anders. Alles ist eingefärbt, bei jedem Gedanken wird "vielleicht zum letzten Mal" angehangen. Das ist vermutlich normal, ich habe den Befund ja erst vor zwei Tagen erfahren.
Aber es ist auch nicht gut. Ich will das nicht, ich will mich da nicht reinfallen lassen. Nicht rumheulen. Tue ich auch nicht, außer hier im Blog. Was ich denke, schreibe ich nur hier hinein. Deshalb sorry, falls hier wider Erwarten jemand mitliest, aber irgendwohin muss ich mit meinen Gedanken und das hier ist mein Überdruckventil. Einfach nicht mehr hier lesen, falls es runterzieht.

Ich verfolge den Flug von S auf Flightradar, bei der Landung werden zwei Flugzeuge aufeinander dargestellt, das finde ich beunruhigend. Es ist aber nur eine Verzögerung bei der Positionsaktualisierung. Sie schickt viele Bilder, genießt diesen Tag und ich freue mich für sie. Ich werde mir das Spiel heute Abend anschauen, falls ich nicht zu müde bin.

Vormittags erstelle ich eine Patientenverfügung und eine Bestattungsverfügung, drucke sie aus und unterschreibe sie. Dann erstelle ich ein Testament, handschriftlich, drücke wie immer viel zu fest mit dem linken Zeigefinger an den Stift und finde das sehr unangenehm. Ich schreibe nicht gern per Hand, obwohl ich mir handschriftliches viel besser merken kann.

Ich gehe einkaufen, wasche ein paar Maschinen Wäsche und hänge sie auf. Gieße die Balkonblumen kurz bevor es anfängt zu regnen. Esse Schokolade. Mache Ablage und bringe meine Abrechnungen auf Stand. Werde müde. Spüre den leichten Schmerz in der Brust.

Das Herumgetue und Beschäftigtsein lenkt ab, aber ich spüre das Grau im Hintergrund lauern. Die Hoffnungslosigkeit, die Aussichtslosigkeit.

Gleichzeitig einen Urlaub und einen Krankenhausaufenthalt zu planen ist komisch, vor allem weil der Urlaub vor dem Krankenhaus kommt. Andersherum wäre es günstiger. So hat die Urlaubsplanung was von 'das letzte Mal', obwohl das nicht wahrscheinlich ist, sagt die Ärztin. Aber es gibt ja noch andere Stellen an meinem Körper, denen ich nicht traue. Da hilft wohl nur, es anzugehen und ein paar weitere Vorsorgeuntersuchungen machen zu lassen. Dann weiß ich wenigstens für den Moment, was los ist. Ja, schlau gesagt.

Ich merke, dass ich mich auf das Fernsehen freue, auf diese Art Normalität, die Illusion von menschlicher Gesellschaft, die beim Zuschauen erzeugt wird. So weit ist es schon gekommen, dass ich mich auf ein Fussballspiel freue. Aber es ist auch besonders, weil ich weiß, dass S im Stadion sitzt.

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Freitag, 23. Mai 2025
22.05.25
Donnerstag, vor dem Gesprächstermin.

Today's the day.

Nein, ist er natürlich nicht. Das Ding wächst seit Jahren in mir. Aber heute bekomme ich einen Befund und eine medizinische Meinung dazu, wie es nun weitergehen sollte.

Nach ganz fest kommt ganz locker, anders kann ich mir meine relative Gelassenheit gerade nicht erklären. Ich bin seit 1:30 wach und seit 3:00 auf, trinke Kaffee, schwitze, schreibe. Bin, relativ, ruhig.

Ich hätte gerne ein Ventil für die kleinen Gedanken zwischendurch, aber bin mir nicht sicher, ob sowas überhaupt zulässig ist auf Mastodon. So viele Trigger wären das. Angst, Krebs, Krankenhaus, Einsamkeit, Depression, meine Güte, das will niemand lesen. Auch nicht mit CW.

Aber ein Ventil werde ich benötigen, wenn ich nicht komplett durchdrehen will.

Ich schreibe Fragen auf, auch wenn ich wenig Hoffnung habe, dass ich sie wirklich stellen kann. Vermutlich wird der Ablauf des Gesprächs nicht von mir bestimmt und durch Zeitmangel geprägt sein. Vielleicht auch nicht, vielleicht wird sich bei einem ernsten Befund mehr Zeit genommen als bei einer Routineuntersuchung bei irgendeinem Facharzt.

Ich bin wütend und enttäuscht von S. Sie sagt, ich bin nicht allein aber de facto bin ich das. Zumindest mit der Angst und mit den Überlegungen. Sie sagt mir gestern Abend, dass ich mir Fragen für das Gespräch aufschreiben soll, aber hat keine Lust, sich zu überlegen, welche Fragen denn wichtig sein könnten. "Nein Schatz, das ist dein Termin." 'Nicht allein' am Arsch.

Als ob ich da nicht selbst drauf komme, dass ich Fragen stellen sollte.
Aber was für Fragen soll ich stellen?
Wie lange lebe ich noch, wie viele Schmerzen und Angst muss ich bis dahin erdulden?
Wie sehr erniedrigt werde ich, wieviel Würde verliere ich?
Wer wird sich alles ein Urteil über meinen Körper bilden, wird abschätzig sagen, das kommt davon?
Werde ich vor der Katze sterben?

Nein, diese Fragen stelle ich nicht. Ich schreibe mir normale Fragen auf, vergesse vermutlich Wichtiges.

Ich weiß, ich bin schwierig. Ich bin eine Angstbeisserin. Aber ich brauche halt mehr als nur Sprüche, um Vertrauen aufzubauen. S hat mich zum zweiten Mal innerhalb einer extremen Woche enttäuscht. Ich hoffe, sie schafft es wenigstens, die Katze zu hüten, wenn ich im Krankenhaus bin. Schreibe das, schüttele über mich selbst den Kopf. Meine Abneigung gegen 'Sprüche' ist so extrem. Sie sind ein Zeichen von Gleichgültigkeit oder Unsicherheit. mit beidem kann ich nicht umgehen. Aber meine Reaktionen sind auch nicht gesund.

Die Wut hält mich über Wasser. Ich drucke meine Fragenliste aus, falte Wäsche, spüle. Gehe um 6:30 los ins Büro.

S schickt einige Fragen, ohne beleidigt zu sein. Gute Fragen. Meine Wut verfliegt. Aber die Maschinerie ist in Gang. In ca einer Stunde sitze ich im Sprechzimmer und höre den Befund. Stelle meine Fragen. Spüre die Leere in meinem Kopf, die Starre. Oder es kommt anders.

Donnerstag, nach dem Gesprächstermin.

Nein, es kommt nicht anders. Ich bekomme den Befund, mit dem ich gerechnet habe. Direkt, ohne Umschweife oder Beschönigungen, das finde ich gut. Kein Herumgerede. Die Ärztin macht das gut, hat vermutlich Routine. Sie ist schnell, konzentriert, aber strahlt keinen Zeitdruck aus.

Der schlimmste Fall tritt immerhin nicht ein, es wird nun nicht nach Metastasen gesucht, weil dafür keine Marker, Anzeichen, was weiß ich vorhanden seien. Es sei heilbar, die Ärztin strahlt Zuversicht aus. Sie möchte meinen Fall nächste Woche in der Tumorkonferenz vorstellen, danach will sie mich anrufen.

Medikamente, OP in einigen Wochen, Bestrahlung wiederum einige Wochen später, wenn die Wunde verheilt sei. Sie sagt, ich werde nächste Woche angerufen wegen der Termine, ein Vorgespräch mit der Anästhesie, Blutabhnahme, OP-Termin festmachen. Ich muss ansonsten nichts tun. Ich bekomme einen großen Ordner mit Unterlagen, Info-Material vom Tumorzentrum.

Ich gehe zurück ins Büro. Bin dankbar für die vertraute Umgebung, die so einen Kontrast zu der gerade erhaltenen Nachricht bildet. Das nach Plastik stinkende Zimmer, ein karger, austauschbarer Arbeitsplatz, keine persönlichen Gegenstände, da wir uns ja flexibel einbuchen müssen. Ich bin froh, wieder hier zu sein. Das passiert diesem Büro auch eher selten, nehme ich an.

Ich rufe S an. Sie ist erst gefasst, dann kommen ihr die Tränen, mir dann auch. Ich lege auf.

Informiere K, von der eine ungewohnt emotionale Antwort kommt. Informiere meinen Gruppenleiter, dass ich bald einige Wochen ausfallen werde.

Arbeite, absolviere eine lange Besprechung. Warte darauf, dass der Hammer fällt oder wie auch immer man das nennt. Ich bin vielleicht noch im Schock.

Eine Beklemmung in der Brust, die spüre ich später. Brustschmerzen, nicht gut. Atmen, weiteratmen, solange ich noch kann. Ich atme flach.

Die Stimmen der Kollegen aus den offenen Bürotüren klingen unwirklich. Ich möchte niemanden sehen, bin sehr froh, dass unsere Besprechungen seit Corona nur noch virtuell stattfinden. Und dass meine Kamera nicht funktioniert.

Der geplante Urlaub kann noch stattfinden, das ist gut. Und gut, dass S ihn nicht absagen konnte, dass ich die Absage auf morgen verschoben hatte. Eine Woche Griechenland vor der OP, das ist besser als zuhause sein.

Ich mache weiter, arbeite, schreibe Mails. Schaue, was ich noch erledigen muss, bevor ich dann länger nicht da bin. Starre aus dem Fenster. Plaudere mit einem Kollegen.

Nachmittags ein Friseurtermin. Im Laden alles lebhaft, lustig, normal, wie immer. In mir ein undefinierter Zustand von Angst. Angststarre. Die Art von Angst, bei der die Tiere in eine Ecke gedrängt sitzen, den Kopf zur Wand gedreht, sich nicht mehr wehren, nur noch zittern. Aber ich lache mit, mache zustimmende Geräusche.

Als ich nach Hause komme, ist S schon da. Sie sieht müde aus. Es ist schön, dass sie da ist. Wir essen, baden. Ich lege auf der viel zu kurzen Couch meinen Kopf in ihren Schoß, schlafe kurz ein. Ich bin müde.

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Donnerstag, 22. Mai 2025
21.05.25
Eine miese Nacht reiht sich an die nächste. Es ist Mittwoch, und nur noch ein Tag bis Donnerstag.

Heute Bürotag, ich bin nicht abgeneigt, mich vom Arbeitsalltag ablenken zu lassen, auch wenn ich weiß, dass es eher umgekehrt sein wird und die Angst mich von der Arbeit ablenken wird. Wie auch immer, hier in der Wohnung in meiner Angst zu schmoren hat gestern nicht gut getan.

Einfach anfangen, loslegen, da sein, im Moment. Die Stimme in meinem Kopf meint es gut mit mir.

Es gibt nicht mehr als den Moment, sagt sie.

Oh doch.

Es gibt ein ganzes Leben in Angst, versteckt, zurückgezogen, mit eingekniffenem Schwanz und niedergeschlagenem Blick. Ein ganzes Leben, in dem die einzige Sicherheit der Rückzug war, der einzige Schutz die Abwesenheit von anderen Menschen.

Und nun wird die Maschinerie wieder losgehen, die mich begrüßt hat, als ich auf die Welt kam. Vor der ich mich mein Leben lang versteckt habe. Krankenhaus, Schmerzen, Angst. Fremde Menschen, für die ich eine Nummer bin. Vertraute Menschen, für die ich lästig bin, ein Klotz am Bein.

Der riesige, unverdaute Brocken in meinem Bauch. Ein leeres Leben, das nie richtig losging, nie richtig angefangen hat. Und jetzt, am (vielleicht) Ende, soll plötzlich alles anders sein?

Was auch immer es ist, es ist mein Leben und sicher nicht das Einzige, das auf diese Weise verlaufen ist. Nicht die Norm, klar, aber auch nicht unfassbar. Ein Leben unter dem Radar, unauffällig, unglücklich, voller Angst und Vermeidung, da gibt es sicher viele von.

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Arbeitstag mit Angst überall an mir, in mir, Angst umwabert mich. Es scheint aber niemand etwas zu merken.
Ich bin ja nie besonders fröhlich, immer eher ernst und abwesend bis abweisend.
Angst kommt in Wellen. Routinekram wird erledigt, größeres geht nicht.
Im Spiegel auf dem Klo gucken mich große, ängstliche Augen an. Angstgeweitet, etwas starr, verständnislos.

Viel länger als morgen halte ich es nicht mehr aus. Wenn morgen alles schlimm wird oder wenn morgen immer noch Ungewissheit herrscht, versuche ich vielleicht doch, eine Krankschreibung zu bekommen. Um mich wenigstens auf meine zu erledigenden Dinge zu konzentrieren. Um vielleicht irgendwie an meine Gefühle zu kommen. Wenigstens mal weinen, das wäre schon ein Fortschritt. Gefühle zulassen. Andere Gefühle als Angst, als Angststarre.

Mir ist schlecht vor Angst. Schwindlig vor Angst. Starrr vor Angst.

Und doch, am Ende des Arbeitstages um 16:00 denke ich, dass es gut war, im Büro gewesen zu sein. Besser als zuhause im Homeoffice mit weniger Ablenkung.

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Mittwoch, 21. Mai 2025
20.05.25
Durchbrochene Nacht, Schlaf, wach liegen, hören wie die Nachbarn polternd ins Bett gehen, hören wie die Katze mit der Hinterpfote über das Laminat schleift, Angst fühlen, leichten Schmerz in der Brust, tauber Zeh, oberflächlicher Schlaf, keine Erinnerung an Träume. Um 4:00 zieht es mich aus dem Bett, ich bin zu unruhig um weiter liegen zu bleiben.

Mit Angst aufwachen, Nebel im Kopf. Heute Morgen anderer Arzttermin, andere Baustelle, auch angstbesetzt. Angst und Angst hebt sich nicht auf, ein Dauerzustand, anstrengend.

S wollte den Urlaub gestern stornieren und konnte nicht, sie hat mich gebeten, es zu tun. Es nähme sie zu sehr mit, sie hätte keine Stimme. Das überrascht mich nicht sehr, aber es enttäuscht mich trotzdem etwas. Und unterstreicht, dass sie beim Gespräch am Donnerstag nicht dabei sein sollte. Allein sein, etwas anderes bleibt mir nicht übrig.

Ich muss mich kümmern, Dinge regeln und bin gelähmt, erstarrt. Schock vermutlich. Alleine mit dem Schock, mit den zu regelnden Dingen. Alleine mit der sehr alten, gebrechlichen Katze. Alleine mit meiner Angst. Die Angst ist unbestimmt, Angst in der Unbestimmtheit, im Nichtwissen, wie es weitergeht.

Habe alles auf nach Donnerstag verschoben. Urlaub absagen, auch wenn die Stornogebühren dann höher sind. Mit der Reiseversicherung auseinandersetzen. Catsitterin absagen. Andere Termine absagen. Patientenverfügung. Private Dinge sortieren.

Das Gespräch am Donnerstag wird vermutlich viele weitere neue Fragen aufwerfen. Ich hätte wirklich gern jemand dabei, jemand ruhiges, besonnenes, eine Person, die die richtigen Fragen stellt und sich die Antworten merkt. Die an meiner Seite ist und mir hilft.

Der Arzttermin war ok, kein Befund, das ist gut. Irgendwann wird das nicht mehr so sein, irgendwann wird der Besuch bei der Augenärztin im Angstchaos enden. Aber heute nicht.

Der restliche Dienstag ist verschwendet als Tag. Sagt man doch so, wenn man nichts macht, nur auf der Couch und im Bett liegen, Serie schauen, sich ablenken. Wenigstens habe ich gespült.

Ich komme nicht zur Ruhe, schwitze, friere, kalte Finger und Zehen während die Hitzewallungen den Schweiß unter der Brust und am Rücken herunterrinnen lassen. Schade, dass ich die Hormone absetzen musste, die haben anscheinend doch etwas bewirkt. Aber ich schwitze auch ohne Hitzewallungen viel.

Sie ist wie immer. Die Nähe vom Wochenende ist nicht mehr zu spüren. Vermutlich auch bei mir nicht mehr.
Sie hat mir gesagt, ich soll mich jederzeit melden, wenn etwas ist. Ich soll sagen, was ich brauche. Als ob das jemals funktioniert hätte bei uns.
Ich brauche jemand, die einfach da ist, bei mir. Das kann sie nicht, sie braucht konkrete Aufträge. Wir werden sehen, wie das wird, ob es funktioniert und wie.

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Montag, 19. Mai 2025
19.05.25
Das Wochenende war, ich möchte schreiben: gut, aber gut ist eigentlich anders. Es war aber in manchen Teilen gut.

S kam Freitagnachmittag und wir waren Essen, man konnte draußen sitzen, es war angenehm. Schnitzel mit Pommes, beruhigend irgendwie. Äußere Normalität während ich innerlich ängstlich vor mich hinstarre. Ich habe Wein getrunken, S war sehr nett, sehr nah.

Ich merke, dass sie eine 'ich muss jetzt stark sein' Haltung hat und das kann sie gut, aber ich mache mir auch Gedanken, ein bißchen Sorge um sie. Und ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich bin schuld an dem Ärger jetzt. Natürlich ist das Quatsch, aber der Gedanke ist da, im Hintergrund, wie Schimmel an der Wand.

Abends haben wir Let's Dance geschaut und sind dann beide ins Bett, das war schön. Normalerweise bleibt sie länger auf. In der Nacht waren wir nah, näher als sonst. Wir haben beide Angst.

Auch der Samstag war gut, harmonisch, nah. Draußen sehr viel Hand halten. Ein Stück Kuchen und kleine Andenken beim Tierheimfest, eine Stunde schlafen während sie Fußball schaut, Einkaufen fahren, ESC, naja für mich nur der Anfang vom ESC.

Der Sonntagmorgen dann etwas stressiger, nicht wegen uns sondern wegen des Urlaubs, der nun so nicht stattfinden wird.

Der Urlaub muss abgesagt werden, ich hätte es ausgesessen bis ich am Donnerstag den Befund bekomme, aber dann wäre eine Frist überschritten und S möchte das Geld nicht komplett verlieren. Mir ist das Geld im Moment egal. Es ist traurig, den Urlaub abzusagen. Ich hatte mich drauf gefreut, trotz der immer vorhandenen Sorge wegen der Katze und der Flugangst und der Unruhe wegen allem. Ich mag unsere Urlaube sehr und bin traurig, sie auch. Sie legt größere Wichtigkeit in Urlaube als ich, glaube ich. Es tut mir aber auch weh.

Mittags dann noch ein schöner Spaziergang, der auch gut tat, trotz der Angst im Bauch und der Wehmut, die mir nun auf dem Rücken sitzt und über die Schulter schaut.

Am frühen Nachmittag fährt sie nachhause und ich koche, schaue irgendeine Serie, versuche den Schmerz zu betäuben. Es ist wie immer wenn sie am Sonntag geht, nur schlimmer, legitim schlimmer, reale Angst, Alarmzustand. Alles intensiver, ständige Angst im Bauch.

Eine durchbrochene Nacht, viel wach liegen, starke Schweißausbrüche. Ich kann mich nicht beruhigen, wie denn auch. Welche meiner selbstberuhigenden Träumereien soll denn jetzt noch wirken?
Ab und zu merke ich, dass ich wohl gerade doch geschlafen und geträumt habe, bin dann aber wieder wach. Wach und gleichzeitig müde. Ich möchte mich verstecken im Bett, möchte nicht aufstehen, stelle den Wecker weiter vor. Aber stehe dann doch um 5:25 auf. Die Unruhe zieht mich hoch.

Ich habe das Gefühl, eine Liste abarbeiten zu müssen, Vorbereitungen treffen zu müssen und bin starr. Ich denke einen Moment, ich kann heute doch zum Kieser gehen und möchte mich einen Moment später nur noch verstecken.

Es wird wohl erst Donnerstag irgendwie weitergehen, wenn ich gesagt bekomme, was da in mir wächst. Bis dahin bin funktioniere ich irgendwie, ohne jegliches Extra.

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Donnerstag, 15. Mai 2025
15.05.25
Heute Morgen Ultraschall, Mammographie, Stanzbiopsie. Mit fünf verschiedenen, sehr freundlichen Frauen zu tun gehabt.

Ich habe mich irgendwie besser gehalten, als ich gedacht hätte. Ich war und bin ruhiger, als ich gedacht hätte. Nur ab und an ein kurzer Moment des Grauens, ein kurzes Flackern des dunklen Lochs ins Nichts. Ein Riss in der Wand, hinter dem unendliche, einsame Leere ist.

Allein im Weltall, so habe ich mir als Kind den Tod vorgestellt. Allein im unendlichen Nichts. Aufzuhören zu Existieren konnte ich mir nicht vorstellen.
Inzwischen stelle ich es mir vor als Wissen, dass das nächste Einschlafen das letzte sein wird, dass ich danach nie wieder aufwache. Dass ich weggeräumt werde und alles andere weitergeht wie immer. Alle Menschen leben weiter ihr Leben, nur ich nicht.
Alle machen weiter, nur ohne mich. So fühle ich mich, wenn ich verlassen werde.
Als ob die Welt mich verlassen wird und nicht ich die Welt. Komisch, wie selbstzentriert solche Vorstellungen sind.

In einer Woche bekomme ich den Befund. Ich fühle keinen Optimismus, fühle mich starr und müde. Als ich heute Morgen aus dem Krankenhaus ging, durch den Park, Wind und Sonne in den Bäumen, kamen mir kurz die Tränen.

Aber wird sich irgendwas ändern, wenn der Befund nicht so fies ist, wie ich fürchte? Vermutlich nicht.

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Montag, 13. Januar 2025
13.01.25
Montagmorgen, kalte Finger, kalte Zehen. Nervös, gestresst.

Die Katze hat ein dringendes Problem, wie jeden Morgen. Sie schaut mich mit diesen übertrieben großen Puss-in-Boots Augen an, miaut herzerweichend; mein Herz muss sie nicht überzeugen, ich weiß nur nicht, was sie mir sagen will. Ich denke, es geht um Futter, anderes Futter, nicht dieses, sie möchte immer irgendeine Sorte, die ich gerade nicht da habe. Dann geht sie resigniert in die Küche und frisst einen Bissen von der Sorte, die sie gestern noch gerne mochte. Sie ist alt, vielleicht schon etwas senil, vielleicht geht es auch um etwas ganz anderes. Es tut ein bisschen weh, dieser dringende Blick, dieser Wunsch, den ich offensichtlich nicht erfüllen kann. Ich komme mir unzureichend vor.

Und wenn das mal nicht das Thema meines Lebens ist: unzureichend zu sein. Nicht zu genügen.

Am Samstagnachmittag gab es wieder einen großen Knall, wieder so ein Ereignis, nach dem ich verzweifelt und vollkommen alleine und vollkommen erschöpft und hoffnungslos zurückbleibe. Ich kann mich nicht begreiflich machen, meine Aufregung nicht so erklären, dass sie für S Sinn macht. Je verständnisloser sie ist, desto kränker komme ich mir vor und je gestresster ich bin, desto auffälliger benehme ich mich und dann merken es auch andere und dann merke ich selbst, dass mein Benehmen krank wirkt. Vielleicht auch krank ist.

Ja, nicht nur vielleicht. Ich kann es nicht richtig greifen, aber habe das Gefühl, ganz nah dran zu sein daran, zu verstehen, warum ich so oft Außenseiterin bin. Zu verstehen, was ich alles nicht kann. Ich habe mich früher fremdgeschämt, wenn ich gesehen habe, wie auffällig meine Mutter nicht mit ihren Problemen klar gekommen ist, wenn andere dabei waren. Ich habe ihre schlechte Laune gesehen und auch gefühlt, dass sie leidet und es hat meine Einsamkeit noch verstärkt. Jetzt schäme ich mich für mich.

Aber immer alles wegstoßen ist aber keine Lösung. Vielleicht einfach mal ruhig bleiben und so tun als ob. Sich nicht noch mehr Probleme machen als eh schon da sind.
Aber dafür müsste ich das Steuer übernehmen.

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Freitag, 10. Januar 2025
10.01.25
Festgestellt, dass ich auch in meinem warmen Zuhause zur Zeit kalte Zehen und Finger habe. In Temperaturregulierung war mein Körper noch nie gut, die Wechseljahre machen es nicht besser. Fuß- und Handwärmer sind bestellt und werden hoffentlich heute geliefert.

Meine Stimmung ist gedämpft, am 01.01. war ich für meine Verhältnisse geradezu euphorisch, jetzt lässt das nach und der Alltag greift wieder nach mir. Graue Gedanken, die mich langsam und müde sein lassen, graues Wetter, das Gefühl kalt und schwerfällig zu sein, ich möchte mich einrollen und schlafen. Mich in weiche Kissen mummeln, die Katze schnurrend auf mir liegen spüren und träumen.

Ich fühle mich benommen im Kopf, unklar, unsicher. Ich habe mich letztes Jahr im Stich gelassen, nicht zum ersten Mal und es kann immer wieder passieren. Ich war nicht nett zu mir, habe es ja auch nicht anderes gelernt aber warum weiß ich es immer noch nicht besser, ich bin doch schon so alt.

Es fühlt sich manchmal an, als fehlt mir nur noch ein Schritt, ein Gedanke, um all das Graue hinter mir zu lassen oder darin aufzugehen, um zu akzeptieren, was ist und mich zu verändern, und ich weiß nicht wo und wohin und gehe nicht mal los.

Ich möchte mich wieder mehr bewegen aber es kommt mir vor, als wäre gerade ein Gips entfernt worden und die Muskeln können noch nicht wieder. Fragt sich, wo der Gips war, vielleicht ja in meinem Kopf.

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