Samstag, 10. Februar 2024
09.02.24
Freitag. Ich stehe um 4:40 auf und bin immer noch angeschlagen von gestern Abend. Koche Kaffee und setze mich an den Rechner. Übertrage das Gekritzel aus meinem Notizbuch in das Blog-Tagebuch, lasse ein paar Gedankenkarussell-Runden weg, weil sie sich wiederholen und nur aufs Papier mussten, um den Druck abzulassen.

Die Scham ist noch präsent. Die Erleichterung aber auch, wenn ich die Chat App aufmache. S ist natürlich noch in meinen Kontakten. Was auch immer da mal kommt, ich möchte es sehen und damit umgehen.

Ich bin froh, dass Freitag und damit ein potentiell kürzerer Arbeitstag ist. Meine Konzentrationsfähigkeit ist immer noch mangelhaft.

Bei scheinbar unerwarteten Gelegenheiten springt mich Vermissen an. Es scheint oft was mit Haushalt zu tun zu haben, wie beim Wäsche falten. Oder beim Öffnen einer Dose Katzenfutter. Zuhause, jetzt die ohne-S-Edition.

Ich überlege wieder, wie auch gestern schon, in WoW einzuloggen aber es erscheint mir sinnlos. Sinnlos gewordene Ablenkung. Mit Gesellschaft wäre es etwas anderes aber alleine macht es im Moment keinen Sinn mehr, gibt mir nichts mehr.

Mein Hirn schreit aber nach Ablenkung und spielt die Disco Songs aus der Arte Doku ab. Never can say goodbye, no, no, no.

Ich fühle mich wund und müde und allein. Gehe Altpapier rausbringen. Kann nichts mit mir anfangen. Möchte wieder ins Bett und in den Arm genommen werden.

Das Frühstücksrezept schmeckt mir nur mäßig. Eher ein Dezember-Rezept mit Kakao und Zimt. Dafür gibt es heute Abend lecker Lachs mit Kohlrabi, Rucola und Apfel.

Die letzte Stunde Homeoffice schleppt sich dahin. Da vermutlich fast alle Brückentag machen, ist wenig zu tun, das macht es noch etwas zäher.

Die Katze möchte Nachschlag, frisst zu schnell, kotzt dann alles ins Wohnzimmer. Kaum habe ich die Spuren beseitigt, möchte sie weiteren Nachschlag, der Magen ist schließlich wieder leer.

Unüberlegt handeln, alles auskotzen, rinse & repeat. Nichts draus lernen. Macht man auch viel zu oft.

Endlich ausloggen und einen Moment das freudige "Wochenende" Gefühl haben, dann merken, dass S nicht gleich kommt, wir nicht den Abend und das Wochenende zusammen verbringen, dass nichts mehr davon Realität ist.

Müdigkeit.

Ich gehe zur Post, die Turnschuhe zurückschicken. Nach 30 Metern piept mein Handy im Nachricht-von-S-Ton. Ich hole es raus um nachzuschauen, kann es nicht glauben. Aber ja, sie hat geschrieben. Ich lese nur den ersten Satz im Sperrbildschirm weil ich wissen will, ob es gut oder schlecht ist. Schlecht wäre alles, was irgendwie mit "ich muss dir was sagen" anfängt. Tut es aber nicht. Den Rest möchte ich erst zuhause lesen, nicht auf der Straße, wo ich auch nicht antworten möchte.

Ich gehe nach der Post noch zum Drogeriemarkt, hole die Lieblingsbrekkies der Katze und ein paar andere Sachen. Sehe kaum verkleidete Menschen aber Karnevals-Freitag ist ja auch immer eher ein normaler Tag, zumindest tagsüber.

Zuhause lese ich die Nachricht komplett. Es wirkt fast so, als hätte sie mein Zurückschrecken vor den Statusbildern und -Filmen mitbekommen. Sie schreibt, ja, sie feiert Karneval aber das heißt nicht, dass es ihr gut geht, sie vermisst mich. Und ich soll nicht antworten, denn sie bekommt jeden Moment Besuch.

Ich erinnere mich, dass sie das öfter gemacht hat und es mich milde genervt hat: Zu schreiben, unmittelbar bevor sie was anderes macht, so daß ich dann nicht mehr antworten kann oder soll, weil das dann stören würde.

Andererseits ist es mir recht, dass ich nicht antworten soll. Auch für mich ist es sehr schwer und sehr traurig, ihr mitzuteilen, dass ich traurig bin, sie vermisse, dabei zu wissen, dass das alles zu keinem Aufeinanderzugehen mehr führt, so wie ich es eigentlich erwarten würde, wenn noch so viele Gefühle da sind.

Also keine Antwort, das ist ok, bis auf ein mildes Gefühl des Bevormundetwerdens ganz weit hinten, das kurz hochguckt und eine Augenbraue hochzieht. Der Rest, so ca. 95%, ist einverstanden.

Und was macht die Nachricht mit mir?
Ich freue mich, dass sie mir schreibt. Ich freue mich über die Aufmerksamkeit, die mir dadurch zuteil wird.
Ich fühle eine ungute Art der Beruhigung, dass sie mich, im Moment, auch noch vermisst. Auf so eine Beruhigung möchte ich mich aber nicht einlassen. Vermissen kann sich jederzeit ändern, ein entscheidender kleiner innerer Schritt in eine andere Richtung reicht aus. Im Weitergehen ist sie besser als ich.
Ich traue der Nachricht nicht. Weil ein Teil von mir sich daran klammern möchte und ich weiß, das sie nicht die Substanz dafür hat.
Es ist nur ein Hinweis "Trau den Bildern nicht", vielleicht aus Mitleid, vielleicht weil sie sich vorstellen kann, wie sie sich im umgekehrten Fall fühlen würde.

Vielleicht auch einfach mal heute alles ruhen lassen in diesem traurigen Status Quo. Zumindest heute sind wir beide traurig, vermissen uns, lieben uns, obwohl wir nicht zusammen glücklich sein können. Bis morgen einfach mal alles ruhen lassen.

Ich koche mein Abendessen und esse es mit Genuß. Der gebratene Lachs, der milde Kohlrabi, der süße Apfel und die herbe Rucola bieten perfekte Ablenkung und machen mich einen Moment lang zufrieden und glücklich.

Nach der üblichen Haushaltsroutine schaue ich im Bett noch ein paar Folgen Slow Horses. Manchmal muss ich auf Stop drücken, weil sich Gedanken in den Vordergrund drängen aber insgesamt klappt das mit Ruhen-lassen ganz gut. Ich mache gegen 21:00 das Licht aus und schlafe schnell ein.

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