Sonntag, 14. Januar 2024
13.01.24
Samstag. Die Vorstellung, das Wochenende ohne S. zu verbringen, ist schon etwas realer als letzte Woche. Oder vielleicht ist es auch umgekehrt und die Vorstellung, das Wochenende mit ihr zu verbringen ist irrealer geworden.

Heute Abend waren wir zusammen bei Freundinnen von S. eingeladen. Nun wird sie alleine gehen. Die Wunde pocht wenn ich daran denke und ich bin etwas bange vor heute Abend.

Morgens erstmal Orga: Geldgedöns aufgeschrieben, Abrechnungen geprüft und endlich mal ein Kundenkonto beim Energieanbieter erstellt. Was für eine Erleichterung, das geschafft zu haben. Schlimmste Aufgabe des Tages hinter mir.

Fahrplan und Wegbeschreibung für den morgigen Ausflug, den ich S. zu Weihnachten geschenkt hatte, ausgedruckt. Nun mache ich es alleine. Es wird vermutlich eine eher ruhige und besinnliche Sache, mit Achtsamkeit und so. Ich kenne keine Person außer S., die mir vertraut genug wäre, um so etwas zusammen zu machen. Ich werde jeweils eine Stunde länger für Hin- und Rückweg brauchen als es mit ihrem Auto der Fall gewesen wäre. Aber diese Unbequemlichkeit ist der am wenigstens traurige Aspekt, auch wenn mir die Wegfinderei alleine immer Stress macht.

Ausgiebig geduscht und Körperpflege betrieben und einen sehr leckeren Erdbeer-Smoothie gefrühstückt.

Dann endlich mal wieder den Hausflur geputzt. Das kostet mich jedesmal Überwindung, obwohl es eigentlich eine ganz einfache und relativ schnelle Aufgabe ist. Aber ich fühle mich dabei irgendwie verletzlich. Ich mag meine Nachbarn nicht, vielleicht ist es einfach die Angst, sie dort im Flur zu treffen und mit ihnen reden zu müssen.

Dann habe ich noch ein paar Reste aufgeräumt, die nach der Kleiderschrankaktion vom letzten Wochenende noch darauf warteten, verstaut zu werden. Zwei Stofftiere, die mir S. mal geschenkt hatte und von denen ich mich noch nicht trennen kann, sind nun aus dem Sichtfeld, ebenso die beiden Sommerbetten.

Meinen Schreibtischstuhl mit Teppichreiniger eingeschäumt aber leider ohne Erfolg. Ich müsste mal googlen, wie ich den wieder frisch kriegen kann aber das hat keine Priorität.

Dann bin ich in die Stadt gefahren, mein heutiger "ich lasse mir am Wochenende die Decke nicht auf den Kopf fallen" Ausflug. Ich brauche Winterschuhe, vor allem wenn ich über Karneval sehr lange Spaziergänge machen will, um mich davon abzulenken, dass S. dann ohne mich unterwegs ist und ich mal wieder Karneval alleine bin.

Direkt im ersten Geschäft habe ich dann schöne Schuhe zu einem annehmbaren Preis gefunden, es war etwas unheimlich. Gesehen, anprobiert, top. Ich hoffe, sie enttäuschen mich nicht.

Danach bin ich die große Fußgängerstrasse hinaufgeschlendert und das an einem Samstag. Es war aber weniger schlimm als ich erwartet hatte. Ich bin in ein großes Modegeschäft, in dem S. gerne einkauft und habe so getan, als ob ich mich umschauen würde. Neben dem Eingang stand ein Verkäufer, den ich zuerst für eine Schaufensterpuppe gehalten habe, bis er sich bewegt hat. Hinter einer Abgestellten standen ein paar Schaufensterpuppen, die ich kurz für die Kassenschlange gehalten habe. Es war verwirrend aber auch lustig. Bei den "Damen" Pullis eine Geruchsexplosion, überwältigend aber gar nicht mal so unangenehm, eine Art total übertriebener "frische Wäsche" Geruch, mir wurde nicht schlecht davon, wie sonst oft bei starken Gerüchen. Mit dem Geschäft bin ich nun verabredet, ich komme in einem halben Jahr wieder und dann probiere ich vielleicht sogar mal etwas an.

Kurz zu Apple, nur aus Neugier, wie ich dem Verkäufer sagte, der mich direkt am Eingang abfangen wollte. Das aktuelle iphone mal anschauen, Größenvergleich zum Max. Meins ist alt aber noch ok und die Dinger sind so unfassbar teuer. Dabei ist das Design gar nicht mehr so spektakulär finde ich.

Dann war ich in einem Laden, den ich gerne noch sehr oft besuchen würde aber der vielleicht bald nicht mehr da ist, zumindest macht er anscheinend Räumungsverkauf. Dort gibt es riesige Statuen von Tieren und meterhohe Zierbrunnen mit Ringelreih tanzenden Nymphen, alles scheinbar aus Bronze oder Eisen. Am Eingang steht ein überlebensgroßer Löwe, drinnen Krokodile, Nilpferde, Elefanten, Gnus. Ich frage mich, wie der Boden des Geschäfts das aushält. Einen Hasen habe ich angehoben um zu schauen, ob der hohl ist aber glaube nicht, das waren mindestens 10 Kilo. Und über weitere drei Stockwerke dann noch Möbel und Kleinkram. Es fühlte sich abenteuerlich an, immer weiter in den Laden hineinzugehen und eigentlich hatte ich erwartet, ganz oben in einer Ecke auf finstere Gesellen zu stoßen aber es gab nur einen grünen Vorhang mit einem Schild "Privat". Da habe ich nicht hineingeguckt, es bleibt also alles offen.

Auf diesem Stück der Fußgängerzone war ich schon lange nicht mehr, es war mir immer zu voll, zu anstrengend.

Ich gehe zur Bahn, grüße den Dom, zweimal innerhalb von drei Tagen gesehen, kommt auch nicht oft vor. Als ich an meiner Haltestelle aussteige, spüre ich den Impuls, wegzulaufen. Ich habe Angst vor diesem Abend, an dem S. bei ihren Freundinnen ist, wieder single, wo ich Vergangenheit bin (ja, nur meine Gedanken). Und ich alleine zuhause bin, ohne Person zum reden, schreiben, mir gut zureden und wo S. noch präsent ist in mir, in meiner Sehnsucht, meiner Verlustangst. Aber das Weglaufen tut mir nicht gut. Ich werde das aushalten. Mit meiner Verlustangst, meiner Scham, meinem Minderwertigkeitsgefühl und meiner Sehnsucht, die Hand von S. zu halten.

Und dann doch eine kleine Ablenkung: Slow Horses ist genau die Art von Serie, die ich im Moment gut aushalte. Surrounded by losers, da gehöre ich hin, geiler Titelsong von Jagger.

Ich koche mir ein leckeres Abendessen aber die Verabredung, die ohne mich stattfindet, drückt auf mich.

Natürlich weiß ich gar nicht, was S. grad macht und mit wem oder wie ihr zumute ist. Ich weiß nur, dass heute der Termin gewesen wäre. Was macht mich so traurig? Dass ich nicht dabei bin? Dass sie das ohne mich macht? Wenn es weiter gegangen wäre mit der Beziehung, hätte ich mich (auch körperlich) nicht wohl gefühlt, fremd, als Außenseiterin, die nichts erzählen kann.

18:30 Uhr, wenn es stattfindet, ist sie nun da. Ich möchte dort sein, ihre Hand nehmen, den Arm um sie legen, ihr Lächeln sehen. Fühle mich ausgeschlossen. Als ob ich draußen in der Kälte durch ein Fenster sehe, wie andere es warm und schön haben. Mir fehlt Wärme. Ich gehe durch meine Wohnung, suche die Erinnerungen, die noch in den Räumen hängen.

Ich schaue die Serie weiter im Bett aber fühle mich unwohl und bedrückt.

20:50 Uhr kommt eine Textnachricht der Gastgeberin, sie bedankt sich für das Geschenk von uns und "hofft, das es mir gut geht". Das ist etwas unerwartet aber natürlich halt einfach gut erzogen, man bedankt sich für ein Geschenk. Also findet der Abend statt und S. ist dort wie geplant. Meine Magengrube schmerzt. Ich muss mich selbst ermahnen, dass die Gastgeberin nicht wirklich hören will, wie es mir geht und schreibe gut erzogen zurück.

Ich schaue die Folge noch zu Ende, müde bin ich ja, in diesem Fall gottseidank. Dann mache ich das Licht aus.

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