Freitag, 12. Januar 2024
11.01.24
Donnerstag, eine Woche nach der letzten Zigarette aber das läuft so nebenher mit. Ich bin froh, dass es so ist aber das war es auch schon. Ist auch keine Anstrengung und fühlt sich deshalb vermutlich unspektakulär an.

Wieder mal sehr früh von der Katze geweckt worden, die das ihr kredenzte Futter dann nicht goutierte, um sich anschließend lautstark über den schlechten Service zu beschweren. Schwer auszuhalten. Also um 4:40 Uhr aufgestanden, andere Dose geöffnet und Kaffee gekocht.

Heute gehe ich mal wieder ins Büro.

Über die Geburtstagswünsche gestern wurde sich anscheinend nicht gefreut, es kommt heute morgen ein knappes "Dankeschön" zurück, nicht mal ein Smiley. Aber egal, ich fand es gut, dass ich das spontan gemacht habe.

Meinen Kalender ansehen und merken, dass es keine Termine mit S. mehr geben wird. Keine Ausflüge, keine Urlaube, keine gemeinsamen Einladungen. Schmerz und Verlust.

Der arme Kaktus im Büro, den ich mir vor einigen Jahren von S. habe aufdrängen lassen (Ableger, der für ihr Büro zu groß geworden war), hat offensichtlich stark Durst. Er tut mir leid. Ich mochte ihn nie wirklich und seit Homeoffice bekommt er nur alle 4-6 Wochen mal ein freundliches Wort und Wasser. Er ist nie ein Stück gewachsen, hat immer nur so gerade überlebt. Wie unsere Beziehung. Beim Kaktus lag das offensichtlich an mir bzw. meiner mangelenden Pflege und Hingabe, denn bei S. gedeihen Pflanzen gut. Sofort frage ich mich wieder, ob es bei der Beziehung auch nur an mir lag, obwohl ich beim Grübeln auf dem Arbeitsweg eigentlich zu einem anderen Schluss gekommen war. Schuldgefühle drücken auf mich ein, sehr unangenehm.

Überhaupt ist es unangenehm im Büro, es ist kalt und sehr ungemütlich und laut wegen technischer Geräte, die bei uns abgestellt wurden und laute Lüftergeräusche haben. Ich beschließe, wieder ins Homeoffice umzuziehen. Wenigstens habe ich so einen Spaziergang in der Morgensonne, das tut gut. Später werde ich erinnert, dass der Nachmittagstermin tatsächlich vor Ort geplant war und mir fällt auch wieder ein, dass das der Grund war, wieso ich heute ins Büro wollte. Aber ist nicht so schlimm, der Termin kann sehr gut verschoben werden. Trotzdem leicht peinlich und ich komme mir vor wie ein Weichei, dass ich wieder nachhause gegangen bin.

Mittags großer Trauerschub. Schreibe einen Brief und fange mich gottseidank noch rechtzeitig, bevor ich ihn abschicke. Ist in /dev/null besser aufgehoben.

Ich schleppe mich durch den Rest der Arbeitszeit. Verabrede einen Kontrolltermin beim Kiefernchirurgen und einen Beratungstermin im Reisebüro. Dieses Jahr werde ich dann allein eine Woche verreisen. Gar nicht verreisen möchte ich mir nicht antun. Ich möchte schauen, ob ich das auch alleine kann.

Ich bin gespannt auf das Orgelkonzert und glaube, dass ich ganz schrecklich frieren werde.

Es sind nun zwei Wochen und ich fange an, auszufransen. Ich fühle mich weinerlich und bedürftig und möchte, dass es doch irgendwie weitergeht. Dass ich doch nicht verlassen bin.
Ich möchte sie zurückhaben, dass sie wieder hier ist, ganz normal, so wie es war.

Dann habe ich doch eine Textnachricht geschrieben, kurz und traurig. S. antwortet sofort, ebenfalls traurig. Illusion von Nähe im gemeinsamen Schmerz.

Versuchen, das Unvermeidliche zu vermeiden ist meine Spezialität. Mich rauswinden, es schaffen, mich dem Schrecklichen doch nicht zu stellen. Aber diesmal muss ich da durch, will ich da durch.

Die 2 Stunden, die ich vor dem Konzert noch Zeit habe, verbringe ich mit Grübeln.
Was mache ich da? Was will ich? Mich doch wieder verbiegen, damit es weiter geht? Ich bin nicht so weit, brauche noch sehr viel Übung mit mir selbst.
Ich bin sowas von nicht bereit. Allein der Gedanke, unter Menschen zu sein, fühlt sich so schlimm an wie immer. Ich habe noch nichts geübt, vertraue mir selbst noch nicht.

Warten auf den Termin, unruhiges Herumtigern. Schichten von Kleidung herauslegen: Unterhose, lange Unterhose, zwei Paar Strümpfe, zwei Unterhemden, T-Shirt, Sweatshirt, Wollpulli. Der Abend ist von außen geprägt, ich bin geblendet vom Termin und von meinem kindlichen Drang, S. wieder bei mir zu haben. Ich fühle mich unwohl. Sie soll mir was schreiben bitte. Angespanntheit. Mir ist heiß, weil ich schon die ersten Schichten angezogen habe.

Ich will S. wieder an meiner Seite haben wegen dem, was mir gut tat und will nicht wahrhaben, dass ich keine Chance habe, an dem, was mir nicht gut tat, jetzt plötzlich etwas zu ändern. Ich würde es nicht schaffen. Es ist vorbei. Ich kann das noch nicht akzeptieren. Ich will nicht alleine weitermachen müssen.

Es gehen noch ein paar Texte hin und her. Ich lese Trauer, Vermissen, Sehnsucht, aber keine Absicht, es nochmal zu versuchen.

18:40 gehe ich los zum Konzert, der Mantel ging wider Erwarten noch zu. Ich freue mich auf den Dom, den ich völlig frei von religiösen Gedanken lieb habe.

Der riesige Innenraum ist nicht so zugig, wie ich erwartet habe aber die Schichten waren doch sinnvoll, es ist saukalt. Orgelmusik ist anscheinend nicht meins. Ob der Organist gut ist, kann ich nicht beurteilen aber wird schon, wenn er im Dom orgeln darf. Er steigert sich zeitweise in unerwartete Lautstärken hinein und da man ihn von unten nicht sieht, stelle ich mir vor, dass dort auf der Orgelbühne das Tier aus der Muppetshow sitzt und sich die Pfoten wund spielt. Einige der Ansagen durch einen Mann, der offenbar zum Dom gehört, sind unfreiwillig komisch. Diese bedächtige Wort-zum-Sonntag-Sprechweise ist auch nicht meins.

Während wir auf den Beginn des Konzerts warten, erzähle ich von der Trennung. Das erste Mal, wenn man von der Textnachricht an die Kegler absieht. Es rückt plötzlich alles in eine andere Perspektive, weniger tragisch, normaler. Wer weiß, was aus der Beziehung geworden wäre, hätte ich Freund*innen zum Reden gehabt. Aber dass ich die nicht habe, ist ja eine der anderen Folgen des Problems. Mir wird geraten, Therapie zu machen.

22:10 Uhr wieder zuhause, die Katze schläft tief und wacht nicht auf, als ich hereinkomme.

Die letzte Entscheidung des Tages: Fotos auf die Plattform hochladen, die mir etwas sympatischer ist oder dort, wo S. auch ist und dann sehen würde, dass ich ohne sie nicht nur trübselig zuhause rumhänge sondern was unternehme? Ich entscheide mich für die erste und finde das ganz gut und erwachsen von mir. Wenigstens etwas heute.

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