Sonntag, 25. Mai 2025
25.05.25
Die Nacht war ok, keine Grübeleien. Ich träume von Fußball bzw. von Fußballfans. Arminiafans in blauen Karnevals-Plastikperücken. Ich weiß nicht mehr, ob ich so eine gestern im Fernsehen gesehen habe oder ob sich mein Kopf das ausgedacht hat. Sah jedenfalls gut aus.

Stehe um 5:45 auf und mache Kaffee, setze mich an den Rechner, schreibe und spiele dann eine Weile. Alles wie immer, nichts mehr wie immer.

Dann mache ich Listen, für den Urlaub, fürs Krankenhaus, für den Krebs. Bringe es hinter mich.
Frühstücke und möchte dann weiter spielen, bin müde. Spiele trotzdem weiter, weil alles andere zu schwer erscheint. Und außerdem ist doch Sonntag und S ist nicht da.

Räume eine Schublade auf, spiele weiter, bin weiter müde.

Lege mich auf die Couch, das hilft auch nicht.

Werde gereizt. Es ist Sonntag und ich hasse Sonntage. An Sonntagen bin ich einsam und traurig und möchte mich verkriechen und die Schmerzen abstellen.

Es regnet und raus gehen ist keine echte Option. Außerdem müsste ich vorher duschen und das ist auch keine echte Option heute.

Ich entscheide mich für Fernsehen und mache den Rechner aus.

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Samstag, 24. Mai 2025
24.05.25
Ich war gestern Nachmittag beim Kieser, halb gezwungen, weil ich einen Termin hatte, und halb, weil ich es wollte. Weil ich weiß, dass ich meinen Körper nun etwas besser behandeln muss, ihm Möglichkeiten geben muss. Muskeln sind gut, Bewegung ist gut.

Danach Erschöpfung auf der Couch, gepaart mit unruhigem Herzklopfen. Komische Kombination, fühlte sich nicht gut an. Die Erschöpfung hat gewonnen, das Herz hat sich wieder beruhigt. Vermutlich eine Nebenwirkung der Antihormontherapie, wie auch die Hitzewallungen, die nun wieder Alltag sind.

Mein Körper war mir noch nie wirklich vertraut, jetzt fremdele ich noch mehr mit ihm.
Die Wunde von der Stanzbiopsie tut immer noch weh, es hat aber fast eine Woche gedauert, bis mir aufgefallen ist, dass der Schmerz von dort kommt.

Die Nacht war ok. Neblig irgendwie, da waren Träume, an die ich mich aber gleich danach nicht mehr erinnern konnte. Kurze Momente der Angst, des Bewusstseins, dass nun endgültig die Uhr tickt und eben nicht nur wegen des fortgeschrittenen Alters sondern konkret weil ja, so wie vor mir meine Oma und meine Mutter, habe ich nun Krebs.

Ich schrecke vor den Worten zurück, fand sie schon immer angsteinflößend, jetzt noch mehr. Möchte sie nicht aufschreiben.

Zwischendurch auch andere Impulse, ich gebe noch nicht auf. Es ist heilbar, sagt die Ärztin. Ich werde noch nicht sofort sterben.

Ich möchte mich von Ballast befreien, endlich Dinge loslassen. Nicht zuletzt, damit sie nach meinem Tod niemand anders wegschmeissen muss. Aber auch, um mich jetzt leichter zu fühlen. Vielleicht eine Illusion, aber eine die mir im Moment hilft und eine Richtung gibt, etwas zu tun gibt.

S ist übers Wochenende verreist, ich habe Zeit für Vorbereitungen, Patientenverfügung etc.. Das ist gut, auch wenn ich S vermisse.

Es ist jetzt alles anders. Alles ist eingefärbt, bei jedem Gedanken wird "vielleicht zum letzten Mal" angehangen. Das ist vermutlich normal, ich habe den Befund ja erst vor zwei Tagen erfahren.
Aber es ist auch nicht gut. Ich will das nicht, ich will mich da nicht reinfallen lassen. Nicht rumheulen. Tue ich auch nicht, außer hier im Blog. Was ich denke, schreibe ich nur hier hinein. Deshalb sorry, falls hier wider Erwarten jemand mitliest, aber irgendwohin muss ich mit meinen Gedanken und das hier ist mein Überdruckventil. Einfach nicht mehr hier lesen, falls es runterzieht.

Ich verfolge den Flug von S auf Flightradar, bei der Landung werden zwei Flugzeuge aufeinander dargestellt, das finde ich beunruhigend. Es ist aber nur eine Verzögerung bei der Positionsaktualisierung. Sie schickt viele Bilder, genießt diesen Tag und ich freue mich für sie. Ich werde mir das Spiel heute Abend anschauen, falls ich nicht zu müde bin.

Vormittags erstelle ich eine Patientenverfügung und eine Bestattungsverfügung, drucke sie aus und unterschreibe sie. Dann erstelle ich ein Testament, handschriftlich, drücke wie immer viel zu fest mit dem linken Zeigefinger an den Stift und finde das sehr unangenehm. Ich schreibe nicht gern per Hand, obwohl ich mir handschriftliches viel besser merken kann.

Ich gehe einkaufen, wasche ein paar Maschinen Wäsche und hänge sie auf. Gieße die Balkonblumen kurz bevor es anfängt zu regnen. Esse Schokolade. Mache Ablage und bringe meine Abrechnungen auf Stand. Werde müde. Spüre den leichten Schmerz in der Brust.

Das Herumgetue und Beschäftigtsein lenkt ab, aber ich spüre das Grau im Hintergrund lauern. Die Hoffnungslosigkeit, die Aussichtslosigkeit.

Gleichzeitig einen Urlaub und einen Krankenhausaufenthalt zu planen ist komisch, vor allem weil der Urlaub vor dem Krankenhaus kommt. Andersherum wäre es günstiger. So hat die Urlaubsplanung was von 'das letzte Mal', obwohl das nicht wahrscheinlich ist, sagt die Ärztin. Aber es gibt ja noch andere Stellen an meinem Körper, denen ich nicht traue. Da hilft wohl nur, es anzugehen und ein paar weitere Vorsorgeuntersuchungen machen zu lassen. Dann weiß ich wenigstens für den Moment, was los ist. Ja, schlau gesagt.

Ich merke, dass ich mich auf das Fernsehen freue, auf diese Art Normalität, die Illusion von menschlicher Gesellschaft, die beim Zuschauen erzeugt wird. So weit ist es schon gekommen, dass ich mich auf ein Fussballspiel freue. Aber es ist auch besonders, weil ich weiß, dass S im Stadion sitzt.

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Freitag, 23. Mai 2025
22.05.25
Donnerstag, vor dem Gesprächstermin.

Today's the day.

Nein, ist er natürlich nicht. Das Ding wächst seit Jahren in mir. Aber heute bekomme ich einen Befund und eine medizinische Meinung dazu, wie es nun weitergehen sollte.

Nach ganz fest kommt ganz locker, anders kann ich mir meine relative Gelassenheit gerade nicht erklären. Ich bin seit 1:30 wach und seit 3:00 auf, trinke Kaffee, schwitze, schreibe. Bin, relativ, ruhig.

Ich hätte gerne ein Ventil für die kleinen Gedanken zwischendurch, aber bin mir nicht sicher, ob sowas überhaupt zulässig ist auf Mastodon. So viele Trigger wären das. Angst, Krebs, Krankenhaus, Einsamkeit, Depression, meine Güte, das will niemand lesen. Auch nicht mit CW.

Aber ein Ventil werde ich benötigen, wenn ich nicht komplett durchdrehen will.

Ich schreibe Fragen auf, auch wenn ich wenig Hoffnung habe, dass ich sie wirklich stellen kann. Vermutlich wird der Ablauf des Gesprächs nicht von mir bestimmt und durch Zeitmangel geprägt sein. Vielleicht auch nicht, vielleicht wird sich bei einem ernsten Befund mehr Zeit genommen als bei einer Routineuntersuchung bei irgendeinem Facharzt.

Ich bin wütend und enttäuscht von S. Sie sagt, ich bin nicht allein aber de facto bin ich das. Zumindest mit der Angst und mit den Überlegungen. Sie sagt mir gestern Abend, dass ich mir Fragen für das Gespräch aufschreiben soll, aber hat keine Lust, sich zu überlegen, welche Fragen denn wichtig sein könnten. "Nein Schatz, das ist dein Termin." 'Nicht allein' am Arsch.

Als ob ich da nicht selbst drauf komme, dass ich Fragen stellen sollte.
Aber was für Fragen soll ich stellen?
Wie lange lebe ich noch, wie viele Schmerzen und Angst muss ich bis dahin erdulden?
Wie sehr erniedrigt werde ich, wieviel Würde verliere ich?
Wer wird sich alles ein Urteil über meinen Körper bilden, wird abschätzig sagen, das kommt davon?
Werde ich vor der Katze sterben?

Nein, diese Fragen stelle ich nicht. Ich schreibe mir normale Fragen auf, vergesse vermutlich Wichtiges.

Ich weiß, ich bin schwierig. Ich bin eine Angstbeisserin. Aber ich brauche halt mehr als nur Sprüche, um Vertrauen aufzubauen. S hat mich zum zweiten Mal innerhalb einer extremen Woche enttäuscht. Ich hoffe, sie schafft es wenigstens, die Katze zu hüten, wenn ich im Krankenhaus bin. Schreibe das, schüttele über mich selbst den Kopf. Meine Abneigung gegen 'Sprüche' ist so extrem. Sie sind ein Zeichen von Gleichgültigkeit oder Unsicherheit. mit beidem kann ich nicht umgehen. Aber meine Reaktionen sind auch nicht gesund.

Die Wut hält mich über Wasser. Ich drucke meine Fragenliste aus, falte Wäsche, spüle. Gehe um 6:30 los ins Büro.

S schickt einige Fragen, ohne beleidigt zu sein. Gute Fragen. Meine Wut verfliegt. Aber die Maschinerie ist in Gang. In ca einer Stunde sitze ich im Sprechzimmer und höre den Befund. Stelle meine Fragen. Spüre die Leere in meinem Kopf, die Starre. Oder es kommt anders.

Donnerstag, nach dem Gesprächstermin.

Nein, es kommt nicht anders. Ich bekomme den Befund, mit dem ich gerechnet habe. Direkt, ohne Umschweife oder Beschönigungen, das finde ich gut. Kein Herumgerede. Die Ärztin macht das gut, hat vermutlich Routine. Sie ist schnell, konzentriert, aber strahlt keinen Zeitdruck aus.

Der schlimmste Fall tritt immerhin nicht ein, es wird nun nicht nach Metastasen gesucht, weil dafür keine Marker, Anzeichen, was weiß ich vorhanden seien. Es sei heilbar, die Ärztin strahlt Zuversicht aus. Sie möchte meinen Fall nächste Woche in der Tumorkonferenz vorstellen, danach will sie mich anrufen.

Medikamente, OP in einigen Wochen, Bestrahlung wiederum einige Wochen später, wenn die Wunde verheilt sei. Sie sagt, ich werde nächste Woche angerufen wegen der Termine, ein Vorgespräch mit der Anästhesie, Blutabhnahme, OP-Termin festmachen. Ich muss ansonsten nichts tun. Ich bekomme einen großen Ordner mit Unterlagen, Info-Material vom Tumorzentrum.

Ich gehe zurück ins Büro. Bin dankbar für die vertraute Umgebung, die so einen Kontrast zu der gerade erhaltenen Nachricht bildet. Das nach Plastik stinkende Zimmer, ein karger, austauschbarer Arbeitsplatz, keine persönlichen Gegenstände, da wir uns ja flexibel einbuchen müssen. Ich bin froh, wieder hier zu sein. Das passiert diesem Büro auch eher selten, nehme ich an.

Ich rufe S an. Sie ist erst gefasst, dann kommen ihr die Tränen, mir dann auch. Ich lege auf.

Informiere K, von der eine ungewohnt emotionale Antwort kommt. Informiere meinen Gruppenleiter, dass ich bald einige Wochen ausfallen werde.

Arbeite, absolviere eine lange Besprechung. Warte darauf, dass der Hammer fällt oder wie auch immer man das nennt. Ich bin vielleicht noch im Schock.

Eine Beklemmung in der Brust, die spüre ich später. Brustschmerzen, nicht gut. Atmen, weiteratmen, solange ich noch kann. Ich atme flach.

Die Stimmen der Kollegen aus den offenen Bürotüren klingen unwirklich. Ich möchte niemanden sehen, bin sehr froh, dass unsere Besprechungen seit Corona nur noch virtuell stattfinden. Und dass meine Kamera nicht funktioniert.

Der geplante Urlaub kann noch stattfinden, das ist gut. Und gut, dass S ihn nicht absagen konnte, dass ich die Absage auf morgen verschoben hatte. Eine Woche Griechenland vor der OP, das ist besser als zuhause sein.

Ich mache weiter, arbeite, schreibe Mails. Schaue, was ich noch erledigen muss, bevor ich dann länger nicht da bin. Starre aus dem Fenster. Plaudere mit einem Kollegen.

Nachmittags ein Friseurtermin. Im Laden alles lebhaft, lustig, normal, wie immer. In mir ein undefinierter Zustand von Angst. Angststarre. Die Art von Angst, bei der die Tiere in eine Ecke gedrängt sitzen, den Kopf zur Wand gedreht, sich nicht mehr wehren, nur noch zittern. Aber ich lache mit, mache zustimmende Geräusche.

Als ich nach Hause komme, ist S schon da. Sie sieht müde aus. Es ist schön, dass sie da ist. Wir essen, baden. Ich lege auf der viel zu kurzen Couch meinen Kopf in ihren Schoß, schlafe kurz ein. Ich bin müde.

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