Freitag, 9. Februar 2024
08.02.24
Donnerstag. Um 2:30 von der Katze geweckt worden. Konnte erst nicht mehr einschlafen, weil ich dachte, ich bekomme vielleicht eine Erkältung und mich das so geärgert hat. Überlegt, jetzt wirklich immer eine Maske in der Straßenbahn zu tragen. Dann doch noch mal eingeschlafen, um 5:00 den Wecker ignoriert und um 6:00 aufgestanden.

Die Fußball-App zeigt mir morgens eine Ankündigung für ein Heimspiel der Damen und ich kaufe spontan eine Karte. Ich wollte schon immer mal sehen, wie es so im Fußballstadion bei einem Spiel ist, aber S. todernste und dabei hochemotionale Haltung zu Fußball hat mich abgeschreckt. Das war auch wieder sowas, bei dem ich ihr soviel Raum gegeben habe, dass für mich nichts mehr übrig blieb. Also jetzt hingehen und gucken, freue mich auf das Abenteuer.

Heute sind es sechs Wochen nach der Trennung. (Und Fünf Wochen seit ich nicht mehr rauche, kann man auch erwähnen, war aber im Vergleich zur Trennung fast business as usual.) Sechs Wochen, es kommt mir gleichzeitig viel länger und viel kürzer vor. Besonders meine Sinne können noch nicht glauben, dass ich sie nicht mehr als meine Partnerin sehen und anfassen darf, dass sie mich nicht mehr umarmt, dass wir nicht mehr Hand in Hand gehen oder auf der Couch sitzen. Dass ich ihre Füße nicht mehr nackt im Sand sehen werde, dass mich die Schnecke auf ihrem Rücken nicht mehr einäugig anschaut.

Aber es gibt auch gute Aspekte an der Trennung. Es ist viel Druck weg, viel Überforderung, viel Ärgern. Wir haben uns ständig gegenseitig negativ getriggert, das entfällt nun. Der Blick, mit dem ich jetzt auf mich schaue, ist zum Teil bereits in der Beziehung entstanden, war vielleicht immer schon da, nur nie im Vordergrund.

Trotzdem habe ich immer Liebe für S. gefühlt und fühle sie noch. Ich wünschte, es könnte eine Freundschaft entstehen aber ich glaube nicht daran. Die komische "ich wünschte" Form scheint hier passend zu sein, denn sie trägt das unausgesprochene "aber die Voraussetzungen stimmen nicht" schon in sich.

Ich falte Wäsche und werfe eine neue Maschine ein. Dabei ein Rage gegen die Beziehung bzw. meinen Zustand darin, gegen ihr nicht-reden-wollen. Vermisse sie trotzdem.

Wenn alles so ist wie in den Jahren vorher, macht sie heute um 12:00 Schluss und stellt sich dann auf die Straße zu den Jecken in ihrem Karnevalshochburg-Viertel. Ich war nie dabei obwohl wir 5 Sessionen lang zusammen waren. Im ersten Jahr wollte ich hinfahren, konnte dann aber nicht, weil ich wegen eines Notfalls lange arbeiten musste. Dann kam Corona. Und dann war alles schon so weit den Bach runter, dass ich keine Lust mehr hatte. Eigentlich gut, eine Sache weniger, die mich an sie erinnert. Also jetzt mal aufhören, eine Erinnerung draus zu machen.

Heute ist jedenfalls ganz normaler langer Arbeitstag geplant, alleine in die Stadt zu fahren reizt mich Null, sozusagen dreimol Null.

Ich bin gut gelaunt, warum auch immer.

Gespräch mit Kollegin. Ich finde, ich klinge als wüsste ich, was ich tue mit dem Umgang seit der Trennung, was ja eigentlich gar nicht der Fall ist. Vielleicht auch eine Art der Abwehr, es so zu erzählen. Auf jeden Fall meine übliche Verschlossenheit hinter der vermeintlichen Offenheit.

T. fragt, ob ich heute in die Stadt komme, sie ist ab 14:00 unterwegs. Ich freue mich, dass sie fragt aber sage dankend ab. Ich könnte erst ab 17:00 dazustoßen, zu spät an Weiberfastnacht und ingesamt auch zu plötzlich.

Nach dem Homeoffice lasse ich mir ein Bad ein.

Heute gehe ich mal nicht vor die Tür, es regnet und ich bin nicht in der Stimmung für die ganzen Jecken draußen.

Das Bad ist total entspannend, Rückenschmerzen wie weggeblasen solange das warme Wasser mich trägt.

Ich bin gut gelaunt und S. ist total präsent in meinem Kopf. Das ist doof. Ich bin alleine, will mir nichts anderes einreden lassen von meinem Hirn. Keine Ahnung, was für eine Droge es grad wieder an mir testet. Der Aufprall wird dann umso härter werden.

Die Beziehung ist vorbei und das ist gut so, ich möchte diese Beziehung nicht zurück haben. Aber ich vermisse S., ich möchte, dass sie hier bei mir ist. Das muss ich aushalten.

Und dann kommt der Aufprall, schneller als gedacht. Obwohl ich das Bauchgefühl hatte, es besser nicht zu tun, schaue ich in den Status einer ihrer besten Freundinnen und sehe ein Video von S. im Straßenkarneval, wie ich es mir heute Morgen vorgestellt habe.

Es ist alles wie immer, sie hat Spaß mit anderen, ich wäre eh nicht dabei gewesen. Ich sitze allein zuhause und, nicht wie immer, lenke mich nicht ab sondern versuche meine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben. Bzw. versuche sie erstmal zu erkennen und dann aufzuschreiben.

Das Video wirft meine Gefühle um Wochen zurück. Minderwertigkeitsgefühle steigen in mir auf, ich werte mich und die Situation hart und komme schlecht dabei weg. S. hat Spaß und ein Leben und ich nicht. Neid lungert auch in einer Ecke herum. Ich mache alles falsch, es ist alles meine Schuld und ich bin ganz allein.

Hätte ich doch in die Stadt fahren sollen? Nein. Nicht so spät an Weiberfastnacht, das geht nur mittags. Ist so.

Mir wird schwindelig, in meinem Kopf breitet sich Nebel aus. Ich trete weg. Was halte ich denn grad nicht aus?

Niemand, außer mir selbst, sagt, dass ich wertlos bin. Warum beschimpfe ich mich selbst? Warum bin ich so gemein zu mir?

Vielleicht war das mal die einzige Erklärung, die mir einfiel. Aber sie ist Quatsch, einfach nicht wahr.

Weitermachen. Wie ein Nebelhorn: Weitermachen.

In meinem Kopf wirbelt alles durcheinander. S. geht weg von mir, ist jetzt schon eine Fremde. Aber sie ist überall in meinen Gedanken, die ganze Zeit. In meiner Wohnung, obwohl ich inzwischen so vieles weggepackt habe. Gestern erst den Ring aus dem Nachttisch genommen und in einen Briefumschlag gesteckt, in die Schublade zu den Fotos und Karten gelegt. Ich weiß nicht, wo ich ohne sie bin, wo ich hin soll. Sie war ein Maßstab, bei dem ich immer schlecht weggekommen bin. Ich wüßte schon nicht mehr, was oder wie ich mit ihr reden soll. Keine Vertrautheit mehr. Ich verschließe mich.

Ich verschließe mich.

Ich drehe mich in mir selbst im Kreis. Muss rausgehen, weitergehen, woanders hin.
Schauen, was kommt.

Das Video hat einen Rückfall ins Verzagen ausgelöst. Nicht mehr angucken so was. Aber das schaffe ich nicht.

Ich googlge, was die Bedingungen sind, um den Status angezeigt zu bekommen. Beide müssen die Handynummer in den Kontakten haben. Also lösche ich ihre Freundinnen und Verwandten aus meinen Kontakten, entfolge ihnen auf Social Media.
Ich verschließe mich. Es fühlt sich besser an, als alle von S. Leuten raus sind. Und gleichzeitig wie eine Niederlage. Ich schäme mich. Bin weggerannt, obwohl ich doch stark und cool sein wollte.

Es hätte doch sowieso keinen Kontakt gegeben. Nur Status gucken und mich dabei verletzen.

Der Panikbutton ist gedrückt. Stählerne Schutztüren schließen sich. Keiner kommt mehr rein aber es kommt auch keiner mehr raus.

Die Scham über meine Rückzug-Reaktion beschäftigt mich mehr als die Erleichterung, die sie mir bringt. Ich habe das Gefühl - wieder - albern und falsch reagiert zu haben. Mich eingeschlossen zu haben, mir selbst etwas genommen zu haben.

In der Realität wird es kaum jemand von denen interessieren, da es ja keine Interaktionen außer Geburtstagsgrüßen gab. Und dass ich solche Videos nicht gut ertrage, wird auch verständlich sein.

Weil ich nicht nicht-gucken konnte, habe ich mich komplett rausgezogen.
Und das ist ok so.

Irgendwann beruhige ich mich soweit, dass ich meine Folge Slow Horses weiter gucken kann. Um 21:30 mache ich das Licht aus.

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