Donnerstag, 1. Februar 2024
31.01.24
Mittwoch.

Um 3:30 reißt mich die Katze mit lautem Gebrüll aus einem Traum, in dem es um die Arbeit ging, ich war dabei, in einem fahrenden Zug etwas mit meinem Gruppenleiter zu bearbeiten. Ich stolpere ins Wohnzimmer und als die Katze mich sieht, ändert sich das Gebrüll in ein leiseres, freudiges Miauen. Ich stolpere wieder ins Bett und sie kommt mit, legt sich auf meine Hüfte.

Um 5:00 zwitschern die Weckervögel. Ich bleibe einen Moment liegen und stelle fest, das S. noch mein erster Gedanke morgens ist. Wird vermutlich auch noch eine Weile so bleiben.

Beim Aufstehen fällt mir eine Antwort zu dem Verdrängen von gestern ein. Ich glaube, das ich einen ersten Schritt in eine neue Richtung gemacht habe. Ein allererster Schritt, bei dem ich mich nicht am Geländer oder einer Person festgehalten habe. Ein Schritt alleine. Und das ist neu, macht Angst, macht schwindlig. Das macht mir solche Angst, dass ich es lieber verdränge. Mein Kopf spuckt beruhigende Szanarien aus, so wie er es immer gemacht hat. Weil die Realität oder was ich dafür halte, so unfassbare Angst macht.

Es ist immer noch unvorstellbar schrecklich für mich, dass S. nicht mehr meine Partnerin ist, nicht mehr zu mir gehört, dass sie mich (bald) nicht mehr liebt, dass sie nicht mehr mit mir zusammen sein möchte. Dass ich den Rest meines Lebens ohne sie weitermachen muss.

Ein Schritt in die Akzeptanz ist für mich gleichzeitig ein Schritt in einen potentiell bodenlosen Abgrund.

Kein Wunder, dass mein Hirn Bilder von glücklicher Wiedervereinigung produziert. Phantasie war immer meine Zuflucht, meine Droge. Das, was mich oberflächlich am Funktionieren gehalten hat. Was mir ermöglicht hat, als Mensch durchzugehen. Was mich vor dem Abgrund bewahrt hat. Mein Kopf versucht mich zu schützen.

Aber ich möchte weitergehen.

Das Hirn produziert trotzdem munter weiter rosafarbene Versöhnungsszenarien. Aber ich weiß jetzt, warum es das macht. Und ich werde die Realität oder was ich dafür halte, überleben.

Ich entschließe mich, auf den Diavortrag in 3,5 Wochen, für den S. und ich Karten hatten, alleine zu gehen. Sie hatte mir beide Karten geschickt und gesagt, ich sollte doch mit meiner Kollegin oder einer Bekannten gehen, die wären doch beide sehr lieb.
"Lieb". Die Bekannte hat sie einmal gesehen, meine Kollegin noch nie.
Aber ich möchte keine dabei haben, auf die ich warten muss oder nach der ich mich ausrichten muss oder mit der ich reden muss obwohl ich schweigen möchte. Ich mache das alleine. Es hängen zu viele Erinnerungen an dem Termin.

Nur noch ein Ticket kaufen statt zwei ist auch neues Gebiet.

Mir wird klar, dass S. vermutlich meine Wohnung nie wieder betreten wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine Freundschaft aufbauen werden, aufgrund der sie zu Besuch kommen würde, ist extrem gering. Der Gedanke tut sehr weh.

Die Katze springt auf den Schreibtisch und legt sich vor die Tastatur, kuschelt sich an meinen Bauch. Ich frage mich, ob sie S. vermisst. Sie hat nie Gefühsregungen gezeigt, wenn S. kam, also vermutlich nicht. Aber vielleicht merkt sie, dass sich etwas verändert hat. Dass die Wohnung nur noch nach ihr und mir riecht. Dass ich weniger gestresst aber dafür trauriger bin.

Die Rückenschmerzen sind deutlich besser geworden, sind jetzt wieder auf normalem Schmerzniveau. Ich bin gespannt, was das Kieser-Training bewirken wird.

Im Homeoffice arbeitet es sich deutlich angenehmer und ich bekomme heute gefühlt mehr geschafft als im Büro gestern.

Nachmittags buche ich im Reisebüro eine Woche Kreta im Juni. Die Reise ist etwas teurer als ich eigentlich geplant hatte aber ich glaube und hoffe, dass es das wert ist. Ich möchte es schön haben bei meiner erste Reise alleine. Ich wollte ein Hotel mit fünf Sternen und ich wollte Griechenland und eine Insel, auf der ich noch nicht mit S. war. Und einen schönen Sandstrand. Das alles scheint vorhanden zu sein, also hoffe ich, dass es so schön ist, wie ich es mir wünsche. Und ich nehme mir vor, auf jeden Fall das Beste daraus zu machen und den schönstmöglichen Urlaub mit mir selbst zu verbringen. Mir eine gute Reisegefährtin zu sein.

Ein bisschen schlechtes Gewissen mischt sich auch unter, weil ich mir mit der Suche und dem Preisvergleich keine große Mühe gegeben habe. Ich höre im Geiste die Missbilligung von S., die sicher überzeugt gewesen wäre, für den Preis etwas noch besseres finden zu können oder das gleiche etwas günstiger. Den Luxus an sich hätte sie allerdings gebilligt, da steht sie auch drauf.

Krass, wie ich verinnerlicht habe, von ihr be- und verurteilt zu werden. Mein Urlaub geht sie nichts mehr an, trotzdem erzähle ich es ihr in meinem Kopf und höre auch ihre erste Frage, "was hast du bezahlt", unmittelbar gefolgt von der Überzeugung "das hättest du günstiger haben können".

Jedenfalls freue ich mich auf die Reise und das ist schon mal ein schönes Gefühl.

Nach dem Reisebüro gehe ich noch schnell in den Supermarkt und zum Biometzger, dann nach Hause zum Kochen und Dschungelgucken. Ich esse in der Küche, räume dort alles auf und ziehe dann ins Wohnzimmer um und gucke weiter. Der alberne Beef, den eine der Kandidatinnen immer wieder mit einer anderen Kandidatin aufwärmt, ist nur noch schwer zu ertragen. Ich würde ihr am liebsten raten, mal in Therapie zu gehen. Aber ich verstehe auch nicht, wie die Influencerinnenwelt funktioniert und das ist vielleicht alles ganz normal dort.

Meine eigene Stimmung sinkt auch wieder ab und ich wärme meinen eigenen Beef mit mir selbst ein bisschen auf. In meinem Kopf eine Mischung aus Rant und Träumereien. Ich denke viel an das Konzert im Sommer, weil wir noch beide die Karten haben und ich sie da möglicherweise wiedersehe. Noch habe ich im Grunde Angst davor, auch wenn ich tagträume, dass es mir dann vielleicht ja schon viel besser geht.

Sinnlos, sich etwas auszumalen. Nichts davon wird genau so passieren, es gibt unendlich viele mögliche Szenarien.

Ich denke viel an mein Gefühl der Minderwerigkeit ihr gegenüber und steigere mich da etwas rein. Das wird ein eigener Text, wenn überhaupt. Ich brauche da auch noch einen anderen Blickwinkel, bis jetzt ist es nur Suhlen in der Schwärze.

Heute Abend fühlt sich alles nicht so gut an.

Als Übersprungshandlung zu der ganzen Schwere mache ich ein paar Handysticker von meiner Katze und gehe dann ins Bett.

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